Praxis & Wissen

Ratgeber Arbeit

Klarer Kopf im Job

Text Katrin Schreiter – Illustration Karolina Zolubak

Seit dem 1. April 2024 dürfen Erwachsene in begrenzten Mengen Cannabis besitzen und konsumieren. Was bedeutet das für den Job? Ist das Kiffen am Arbeitsplatz jetzt erlaubt oder ein Grund zur Kündigung? Profil klärt arbeitsrechtliche Fragen.

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Foto: Stefan Koch

Das Gesetz zur Legalisierung von Cannabis selbst enthält keinen Paragrafen, der den Konsum am Arbeitsplatz verbietet. „Das heiße aber nicht, dass es erlaubt ist, im Job zu kiffen“, sagt Peter Voigt. Der Leiter der Abteilung Justiziariat/Rechtspolitik/Rechtsschutz bei der IGBCE verweist auf die DGUV-Vorschrift 1. „Hier ist klar festgelegt, dass Beschäftigte sich nicht durch den Konsum von Alkohol, Drogen oder anderen berauschenden Mitteln in einen Zustand versetzen dürfen, der eine Gefahr für sie selbst oder andere darstellt.“

Klarer Kopf statt vernebeltes Gehirn: „Gleichzeitig dürften Arbeitgeber keine Personen beschäftigen, die offensichtlich nicht in der Lage sind, eine Arbeit ohne Gefahr für sich selbst und andere ­auszuführen.“

Juristisch heißt das: Die Beschäftigten schulden dem Arbeitgeber ihre ungetrübte Arbeitsleistung. Ist die infolge von Cannabiskonsum nicht mehr gegeben, rechtfertigt das arbeitsrechtliche Maßnahmen. „Unabhängig davon, ob das Kiffen im Unternehmen explizit verboten ist oder nicht“, sagt Voigt. „Wer wegen des Drogenkonsums seine Arbeitsleistung nur eingeschränkt erbringen kann, riskiert eine Abmahnung und womöglich sogar eine Kündigung“, so der Rechtsexperte.

Nicht zuletzt habe der Chef beziehungsweise die Chefin eine Fürsorgepflichtsowohl gegenüber den Beschäftigten, die unter Drogen stehen, als auch gegenüber den Kolleginnen und Kollegen, die unter Umständen gefährdet sind“. Auch der Cannabiskonsum kurz vor Dienstbeginn oder in der Pause sei keine Privatangelegenheit, so Voigt. Schließlich könne sich der Rausch unter Umständen auf die Arbeit auswirken.

Nachgefragt bei Peter Voigt

Spring an die richtige Stelle

Wirkung schwer kalkulierbar

So viel Wind wegen so ein bisschen Rauch? Das sieht Ursula Havemann-Reinecke anders. Die Leiterin des Referats Abhängigkeitserkrankungen der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde erklärt: „Cannabis beeinflusst die kognitiven Fähigkeiten: Abstraktes Denken und Lernen, Merkfähigkeit und Aufmerksamkeit, Wahrnehmung und psychomotorische Koordination leiden. Wie stark, das hängt auch davon ab, ob man einmalig, gelegentlich oder gewohnheitsmäßig konsumiert.“

Wirkung, Symptome und Folgen von Cannabiskonsum hängen von zahlreichen Faktoren ab, „deshalb gibt es auch keine allgemeingültigen Aussagen“. Ein Grund: „Cannabis ist im Unterschied zum Alkohol keine singuläre Substanz. Das Suchtmittel enthält insgesamt rund 500 verschiedene Inhaltsstoffe, davon etwa 140 verschiedene Cannabinoide“, sagt Havemann-Reinecke. Die Zusammensetzung beeinflusse sowohl die Wirkung als auch die Dauer des Rausches. Nicht zuletzt würden die individuelle Toleranz sowie die Häufigkeit des Konsums eine Rolle spielen.

Wissenschaftlich sei deshalb noch kein unterer Grenzwert festgelegt worden, der keine Beeinträchtigung der Arbeitsleistung garantiert. Auch ein exakter Zeitraum, der zwischen Konsum und Dienstbeginn liegen sollte, könne nicht zuverlässig genannt werden.

Wer seine Arbeitsleistung nur einge­schränkt erbringen kann, riskiert eine Abmahnung.

Peter Voigt,
Leiter der Abteilung Justiziariat/Rechtspolitik/Rechtsschutz

Betriebsvereinbarung zum Thema Sucht

„In vielen Unternehmen existiert bereits eine Betriebsvereinbarung zum Thema Sucht“, weiß IGBCE-Arbeitsrechtler Voigt. Diese müsse man überprüfen und gegebenenfalls anpassen, rät er.Zur Gewährleistung der Arbeitssicherheit kann zum Beispiel auch ein Verbot von Cannabiskonsum am Arbeitsplatz sowie auf dem Arbeitsweg vereinbart werden.“ Übrigens: Auch wenn kein gesetzliches Verbot für Cannabis am Arbeitsplatz besteht, gibt es für bestimmte Branchen ein Null-Toleranz-Limit. Wer beispielsweise einen Lkw oder Bus oder ein Flugzeug steuert, darf weder vor dem noch im Dienst Drogen konsumieren das schließt selbstverständlich auch alle anderen Rauschmittel ein.