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Arbeitgebercheck

Foto: Picture Alliance/dpa | Sebastian Gollnow

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Tradition trifft
Innovation

Text Inken Hägermann

Der Spezialglashersteller Schott mit seiner mehr als hundertjährigen Firmengeschichte ist gut vorbereitet auf die Herausforderungen der Zukunft. Die Konkurrenz um Fachkräfte ist aber auch bei dem Stiftungsunternehmen ein Thema.

Schott

Der Schott-Konzern zählt zu den weltweit führenden Herstellern von Spezialglas und Glaskeramik und zu den bekanntesten Stiftungsunternehmen in Deutschland. Die Gewinne fließen zu einem überwiegenden Teil in Zukunftsinvestitionen, Aktionärinnen und Aktionäre schöpfen hier keine Gelder ab. Das Unternehmen lieferte schon Ende des 19. Jahrhunderts die optischen Komponenten für die feinmechanisch-optischen Produkte von Carl Zeiss. Bis heute gilt Schott-Glas als technologischer Vorreiter, sei es bei Ceranfeldern, Handyschutzgläsern, Ampullen für Pharmaprodukte oder Spezialspiegel für Weltraumtechnik. Schotts Produktion ist – wie die Glasindustrie insgesamt sehr energieintensiv. Die Umstellung der Fertigung auf eine klimagerechte Produktion hat begonnen.

Gründung 1884 in Jena als Glastechnisches Laboratorium Schott & Genossen

Sitz Mainz

Rechtsform AG (mitbestimmt)

Eigentümer Carl-Zeiss-Stiftung (100 Prozent)

Umsatz 2,9 Milliarden Euro (Geschäftsjahr 2022/2023, 1.10. – 30.9.)

Gewinn 277 Millionen Euro (2022/2023)

Produkte Spezialgläser und Glaskeramiken für unterschiedliche Branchen (unter anderem Hausgeräte, Pharma, Elektronik, Halbleiter, Optik, Automobil, Luftfahrt); bekannteste Marke: Ceran

Beschäftigte Rund 17.000 in mehr als 30 Ländern, davon mehr als 6.000 in Deutschland

Betriebsklima

Bis heute herrscht bei vielen Beschäftigten ein besonderer Stolz auf die Betriebszugehörigkeit. Wer als „Schottianer“, wie es intern heißt, anfängt, bleibt oft sehr lange im Unternehmen. Dementsprechend hoch sind die Zustimmungswerte bei der regelmäßigen Beschäftigtenbefragung: Der Zufriedenheitsindex liegt seit Jahren bei rund 80 von 100 möglichen Punkten, auch in Sachen Kollegialität sind rund 75 Prozent verzeichnet.
Allerdings gibt es auch Klagen, etwa über viele Überstunden, die bislang hohe Wochenarbeitszeit, die im Verhältnis zur Tätigkeit niedrige Bezahlung sowie das Verhalten mancher Führungskräfte. Die Beschäftigten in der Produktion arbeiten unter harten Bedingungen: kräftezehrende Schichtarbeit, an den Glaswannen herrschen extreme Temperaturen, die Tätigkeiten sind körperlich anstrengend.
Auf der anderen Seite finden Betriebsrat und Unternehmen für nahezu jeden älteren Beschäftigten aus der Produktion, der nach jahrzehntelanger Schichtarbeit schlicht seiner alten Tätigkeit nicht mehr nachgehen kann, ein neues Betätigungsfeld im Unternehmen. Insgesamt gilt Schott als Arbeitgeber, der sich um sozialverträgliche Lösungen bemüht.

Arbeitsumgebung

Durch dieses Unternehmen weht der Geist der Geschichte. Vor 140 Jahren gründete der Glastechniker und Chemiker Otto Schott zusammen mit dem Physiker Ernst Abbe sowie dem Optiker und Feinmechaniker Carl Zeiss in Jena das Glastechnische Laboratorium Schott & Genossen, die Keimzelle der heutigen Schott AG. Von Beginn an produziert das kleine Labor neuartige Spezialgläser, unter anderem optische Gläser vor allem für die optische Werkstätte von Carl Zeiss. Dazu zählt Spezialglas für Mikroskope oder das feuerfeste und chemisch resistente Borosilicatglas (Jenaer Glas), das für Thermometer oder die Glaszylinder für Gaslampen genutzt wurde und wird.
Mit seinen zahlreichen Erfindungen und Entwicklungen gilt Otto Schott als Erfinder der Spezialglasindustrie. Bereits 1889 wurde die Carl-Zeiss-Stiftung gegründet, die bis heute hundert Prozent der Anteile sowohl an der Schott AG als auch an der Carl Zeiss AG hält, einem auf feinmechanisch-optische Produkte wie Mikroskope oder Kameralinsen spezialisierten Unternehmen.
Es gibt eine Betriebsrente, Kantinen an jedem Standort, das Jobrad-Programm und verschiedene auf die persönlichen Bedürfnisse angepasste Gesundheitsangebote sowie spezielle Programme zur Entlastung der Schichtarbeiterinnen und Schichtarbeiter, um die Beschäftigen so lange wie möglich fit zu halten.

Mitbestimmung

In Sachen Mitbestimmung läuft bei Schott vieles gut. An jedem Standort in Deutschland gibt es ein Betriebsratsgremium, dazu auch Jugend- und Auszubildendenvertretungen (JAV) sowie eine Schwerbehindertenvertretung (SBV). Auf Konzernebene ist ein Gesamtbetriebsrat (GBR) etabliert, auch JAV und SBV haben standortübergreifende Gremien.
Über eine Betriebsvereinbarung wurde zudem ein Euro-Forum für Betriebsratsmitglieder geschaffen. Die Informations- und Beteiligungsrechte der Belegschaftsvertretung werden in der Regel vom Arbeitgeber beachtet, auch der Aufsichtsrat ist paritätisch besetzt. Zwar sind Betriebsrat und Unternehmen natürlicherweise nicht immer einer Meinung, Differenzen werden aber in vernünftigem Tonfall, lösungsorientiert und ­sachlich diskutiert.
Zuletzt war das Unternehmen bemüht, die vielen verschiedenen Betriebsvereinbarungen an den unterschiedlichen Standorten über Gesamtbetriebsvereinbarungen (GBV) zu vereinheitlichen. Dabei wird über Öffnungsklauseln darauf geachtet, dass niemand schlechtergestellt wird als vor der Zentralisierung.

Tarifbindung

Es gibt einen Haustarifvertrag bei Schott, der sich an den Flächentarif der Glasindustrie anlehnt. Bis zum 1. April 2024 allerdings galt bei Schott seit mehr als zehn Jahren die 40-Stunden-Woche. Das sorgte in der Belegschaft immer wieder für reichlich Unmut. Nach intensiver Überzeugungsarbeit des Betriebsrats hat das Management schließlich eingesehen, dass angesichts des grassierenden Fachkräftemangels eine 40-Stunden-­Woche nicht mehr zeitgemäß ist – zumal an den Standorten wie Mainz und Landshut viele andere attraktive Arbeitgeber aus dem industriellen Umfeld um Fachkräfte konkurrieren. So konnte die IGBCE eine Arbeitszeitreduzierung durchsetzen bei vollem Lohnausgleich. Jetzt liegt die vereinbarte tarifliche Wochenarbeitszeit bei 37,5 Stunden.
Auch die Schichtzulagen wurden zum 1. April erhöht, für Vollkonti-Schicht (VK) von neun auf zwölf Prozent, in der Dreifachschicht von null auf sechs Prozent. Um Schichtarbeit generell attraktiver zu machen, werden viele Schichtmodelle ausprobiert, allein am Standort Mainz gibt es mehr als zehn. Auch sollen die unterschiedlichen Entgelttabellen an den einzelnen Standorten Stück für Stück vereinheitlicht werden, teilweise ist das schon ­geschehen.

Zukunftsfähigkeit

Der Vorteil eines Stiftungsunternehmens liegt auf der Hand: Erträge fließen weitestgehend für Investitionen zurück ins Unternehmen. Dementsprechend hat Schott bereits vor Jahren begonnen, sich auf den sogenannten Fuel-Switch vorzubereiten, also die Umstellung der Energieträger von Gas auf Wasserstoff beziehungsweise Strom. Die entsprechenden Versuche mit Glaswannen dazu wurden erfolgreich in der Zentrale in Mainz vorangetrieben, jetzt sollen Stück für Stück alle Glaswannen auf eine klimaneutrale Produktion umgestellt werden. Schott hat sich selbst zum Ziel gesetzt, ab 2030 CO₂-neutral zu produzieren.
Die Nachfrage nach modernen Spezialglaslösungen ist weiterhin hoch, sei es bei den Displaygläsern von Handys, für die Weltraumtechnik oder die Automobilindustrie. Auch in Sachen Fachkräftegewinnung bewegt sich das Unternehmen wenn auch langsam: So wurde die Wochenarbeitszeit angepasst, Schicht­systeme und Wochenarbeitsmodelle attraktiver gestaltet, um auch für jüngere Beschäftigte, die der Schichtarbeit gegenüber sehr kritisch sind, attraktiv zu bleiben.

Das sagt Schott

Schott will bis 2030 klimaneutral werden und setzt auf Innovation, Nachhaltigkeit und Pioniergeist. Mitarbeitende werden ermutigt, sich einzubringen und weiterzuentwickeln. Dafür schafft das Unternehmen ein wertschätzendes Umfeld mit umfang­reichen Benefits.

Unser Fazit

Die Arbeitsbedingungen in der Produktion sind hart, und Schichtarbeit ist unverzichtbar Glaswannen können nicht einfach herunter- und wieder hochgefahren werden, sondern müssen rund um die Uhr laufen, auch am Wochenende. Dementsprechend schwierig ist es für Schott, ausreichend qualifizierte Fachkräfte oder Auszubildende zu gewinnen. Das Unternehmen hat auf Druck des Betriebsrats und der IGBCE einiges getan, um die eigene Attraktivität zu erhöhen etwa bei Wochenarbeitszeit und Schichtzulagen. Doch gibt es gerade an den Standorten in den Industrieregionen eine starke Konkurrenz zu anderen Unternehmen um Fachkräfte.

Quellenhinweis: Dieser Arbeitgebercheck basiert auf Recherchen bei Beschäftigten, Betriebsräten, Vertrauensleuten sowie Betriebsbetreuerinnen und -betreuern der IGBCE. Die zusammen­getragenen Informationen sind aus Gründen des Quellenschutzes bewusst anonymisiert. Jede Angabe kann jedoch konkret bestimmten Quellen zugeordnet werden. Zudem wurden öffentlich zugängliche Quellen einschließlich der Angaben des Unternehmens selbst genutzt.