Vor Ort

Westfalen

Bereits am frühen Morgen trafen die ersten von knapp 200 Bussen vor dem Haupttor von Thyssenkrupp ein: Mehr als 10.000 Beschäftigte aus energieintensiven Branchen der IGBCE und der IG Metall unterstützten die Kundgebung in Duisburg lautstark.

Für die Zukunft unserer Industrie

Text Leo Kölzer – Fotos Markus Feger

Die Beschäftigten demonstrieren, die IGBCE setzt sich für einen Brückenstrom­preis ein. Das Strompreispaket der Regierung geht ihnen nicht weit genug.

Mittlerweile hat die Bundesregierung einen Plan vorgelegt: Der Strompreis für die Wirtschaft soll sinken. Bis zuletzt hatten sich die IGBCE und ihre Partnergewerkschaften für ihre Forderungen eingesetzt. So wie in Duisburg: Dort haben mehr als 10.000 Beschäftigte aus ganz Nordrhein-Westfalen für die Zukunft ihrer Jobs demonstriert. In einigen Fällen kommt die Aussicht auf Entlastung jedoch zu spät. Wie beispielsweise bei Celanese am Standort Hamm. Das US-amerikanische Unternehmen für Chemie- und Spezialmaterialien legt noch im Februar seine beiden Produktionsanlagen für Polymere still. 170 von insgesamt 340 Stellen sind betroffen. Vergleichsweise schlechte Rahmenbedingungen und hohe Energiepreise seien laut der Geschäftsführung schuld an der schlechten wirtschaftlichen Lage. „Gefasst und enttäuscht, überrascht, viele negative Emotionen, ich kann das schwer in Worte fassen“, berichtet Werksleiter Gerhard Hüchter von den Reaktionen aus der Belegschaft. Der Betriebsratsvorsitzende Rolf Menke sprach von „Totenstimmung“. Er sagt: „Mit so einer Nachricht habe ich nicht gerechnet, das ist ein Schlag ins Gesicht.“

Wegen starker Windböen mussten Bühnenteile abgebaut und speziell gesichert werden. Die Demonstrierenden ließen sich davon allerdings nicht abhalten.

IG-Metall-Vorsitzende Christiane Benner und IGBCE-Chef Vassiliadis, der mahnte: „Wenn die Regierung uns an ihrer Seite haben will, dann muss sie jetzt liefern.“

Klar ist: Die IGBCE sieht Licht und Schatten in dem Strompreispaket. Für besonders energieintensive Unternehmen reiche das nicht, „um von der Intensivstation zu kommen“, kritisiert Landesbezirksleiter Thomas Meiers. Die Produktion der energieintensiven Industrien ist bereits um 20 Prozent geschrumpft, Anlagen werden stillgelegt, Tausende Arbeitsplätze gestrichen, ganze Standorte geschlossen. Deutschlandweit geht es um 2,4 Millionen Arbeitsplätze, 240 Milliarden Euro Wertschöpfung und 90 Milliarden Euro Steuer- und Sozialversicherungsabgaben jährlich.

Investitionen in die Transformation bringen vielfache Chancen.

Thomas Meiers

„Wenn die industrielle Wertschöpfungskette schon in ihrer Entstehung ausfällt, führt das zum Totalausfall der ganzen Kette“, sagt Meiers. Da­ran ändere auch das Strompreispaket der Bundesregierung nichts. Für eine echte Transformation brauche die energieintensive Industrie grünen Strom in rauen Mengen und zu wettbewerbsfähigen Preisen. „Ein klimagerechter Umbau unserer Wirtschaft kann nicht aus der Portokasse bezahlt werden. Wir brauchen dringend einen neuen Konsens darüber, dass Investitionsvorhaben von der Schuldenbremse auszunehmen sind.“ Das gefährde weder das Rating an den Kapitalmärkten, noch werde damit Geld verbrannt. „Investitionen in die Transformation bringen ein Vielfaches an Chancen mit sich – nicht nur für Fiskus und Sozialsysteme, sondern auch für Klimaschutz.“


Das beabsichtigt die Bundesregierung

Geplant ist unter anderem eine deutliche Senkung der Stromsteuer für das produzierende Gewerbe und eine Ausweitung der bisherigen Strompreiskompensation für Konzerne, die besonders unter hohen Strompreisen leiden. Die Stromsteuer soll demnach von derzeit rund zwei Prozent auf das europäische Mindestmaß von 0,05 Prozent gesenkt werden. Davon profitieren nicht nur große Industriekonzerne, sondern auch der Mittelstand. 350 Konzerne, die besonders stark im internationalen Wettbewerb stehen und unter den hohen Strompreisen leiden, sollen zusätzliche Hilfen erhalten. Die bestehende Strompreiskompensation soll für fünf Jahre verlängert und ausgeweitet werden.