Vor Ort

Hessen-Thüringen

Auf den Webseiten von Provadis kann man ein Technikum erkunden.

Foto: Adobe Stock

Digital – und gut

Text Wolfgang Lenders

In den Branchen der IGBCE schreitet die Digitalisierung rasant voran. Mit ihr sind Chancen verbunden und auch Risiken. Damit die Digitalisierung für die Beschäftigten in Hessen und in Thüringen gut wird, treibt die IGBCE eine Reihe von Projekten voran.

Die Arbeitswelt verändert sich dramatisch: Bereits seit mehreren Jahrzehnten übernehmen Computer mehr und mehr Aufgaben. Neue Entwicklungen haben dabei die Digitalisierung immer wieder vorangetrieben. Die weite Verbreitung schneller Internetverbindungen etwa, die Einführung von Smartphones und – im vergangenen Jahr – die enormen Verbesserungen im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI). Einen zusätzlichen Schub hat die Digitalisierung durch die Corona-Pandemie bekommen: Mit einem Mal waren etwa Online­besprechungen und das Arbeiten im Homeoffice Mittel zum Schutz der Gesundheit.

Für die Beschäftigten ist die Digitalisierung eine riesige Chance – und zugleich eine große Bedrohung. Das Ziel von Gewerkschaften wie der IGBCE ist es deshalb, die Digitalisierung so zu gestalten, dass sie den Menschen nutzt. Dazu steht ihr eine Vielzahl von Mitteln zur Verfügung. Ein Beispiel: Wo digital gearbeitet wird, fallen in der Regel auch Daten an, mit denen der Arbeitgeber seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter überwachen kann. Ob solche zum Teil sehr persönlichen Daten erhoben werden dürfen, hängt normalerweise davon ab, ob die Betriebsräte zustimmen. Allerdings ist es nicht immer einfach, zu erkennen, welche Daten problematisch sein könnten. Deshalb schult die IGBCE Betriebsräte, damit sie kompetent von ihrem Recht Gebrauch machen können.

Ein ganz wichtiger Punkt: die Ausbildung. Die IGBCE hat bei DQC-Net mitgearbeitet, einem Netzwerk für digitale Qualifizierung in der Chemie. Weitere Partner: der Arbeitgeberverband HessenChemie und elf Unternehmen, unter anderem Heraeus, Fresenius, Evonik, Almo, Infraserv Höchst und Provadis. Ziel war es, die Ausbildung an die digitalen Veränderungen anzupassen.

Etwa beim Bildungsdienstleister Provadis: Er erprobt mit dem Tool Active Training 4.0, wie sich Anlagenteile oder Produktionsbetriebe für die Ausbildung digitalisieren lassen. Auf den Webseiten kann jede und jeder selbst ausprobieren, wie es ist, in einem digitalen Technikum zu lernen. Man kann durch die Räume der Anlage wandern, die technischen Unterlagen und Sicherheitshinweise durchsehen, sich von der Ausbilderin erklären lassen, wofür einzelne Teile der Anlage gut sind, und Azubis über die Schulter gucken, wenn sie einen chemischen Prozess zu früh starten, wobei ein giftiges Gas entsteht. Und natürlich kann man erfahren, wie sie mit dem Fehler umgehen. Immer wieder muss man dabei Fragen beantworten, die überprüfen, ob man das Präsentierte verstanden hat.

Die IGBCE will die Digitalisierung im Sinne ihrer Mitglieder gestalten. Ein Weg in Hessen: der im Jahr 2018 gegründete Rat für Digitalethik, in dem die IGBCE – vertreten durch Landesbezirksleiterin Sabine Süpke – als einzige Gewerkschaft Mitglied ist. Er berät die Hessische Landesregierung bei Projekten zur Digitalisierung.

Der Rat hat sechs Leitgedanken formuliert, damit die Digitalisierung ein Erfolg wird:

  1. Digitalen Wandel begreifen, reflektieren und gestalten.
  2. Veränderungsbereitschaft und Eigenverantwortung fördern.
  3. Innovative Lernkonzepte fördern und Lernnetzwerke stärken.
  4. Zugang zu neuen digitalen Technologien ermöglichen.
  5. Mehr Freiräume für Innovation und Kreativität schaffen.
  6. Soziale Sicherungssysteme im digitalen Wandel weiterentwickeln.

Foto: IGBCE

3 Fragen an …

Michael Reinhart

Reinhart war bis Ende 2023 Fachsekretär für Digitalisierung und Industrie 4.0 im Landesbezirk.

Ist die Digitalisierung auf dem richtigen Weg?

Bis jetzt sind die negativen Prognosen nicht Realität geworden. Dass Millionen Arbeitsplätze wegfallen, dass die Arbeitslosenquote in die Höhe schießt das erleben wir zum Glück nicht. Die Unternehmen haben eher Systeme eingeführt, die eine höhere Effizienz ermöglichen, eine bessere Effektivität, und die Unterstützung in den Arbeitsprozessen bieten. Das hängt natürlich auch damit zusammen, dass durch Automatisierung in unseren Branchen schon in den 1980er- und 1990er-Jahren einiges gelaufen ist.

Es heißt immer, wir müssen die Menschen mitnehmen. Funktioniert das?

Die meisten Betriebe haben da keine Strategie. Es wird punktuell weitergebildet, wenn es an einer Arbeitsstelle notwendig ist. Das ist schade. Unsere Umfrage „Monitor Digitalisierung“ hat gezeigt, dass unsere Mitglieder der Entwicklung gegenüber sehr positiv eingestellt sind und willens, sich weiterzubilden. Sie sehen Vorteile für sich durch die Digitalisierung. Das muss man nutzen und die Qualifizierungsmaßnahmen ausbauen. Wichtig ist, auf die Zielgruppen angepasste Bildungsangebote zu entwickeln. Ältere Kolleginnen und Kollegen muss man anders ansprechen als die jüngeren.

Ein riesiges Thema ist zurzeit künstliche Intelligenz (KI). Worauf müssen wir da achten?

Wir hoffen, dass KI als unterstützende Technologie genutzt wird. Sie kann helfen, aber die endgültige Entscheidung muss bei Menschen liegen, die kompetent sind und auch die Verantwortung für ihre Entscheidungen tragen können. Wenn KI dazu dient, die Beschäftigten zu entlasten, sodass sie sich auf andere Dinge konzentrieren können, ist das eine gute Sache. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass KI nur so gut ist, wie es die Daten sind, mit denen sie gefüttert wird. Wir haben schon gesehen, dass KI sexistisch oder rassistisch unterwegs sein kann. So etwas müssen wir verhindern!


Prozent mit gutem Gefühl

74 Prozent der Befragten beim „Monitor Digitalisierung“ der IGBCE (2022) hatten große Zuversicht in den und Zutrauen beim eigenen Umgang mit digitalen Technologien.