Vor Ort

Bayern

Gerechte Forderung

Text und Fotos Michael Kniess

Unübersehbar in Szene gesetzt: Bei der Kunststofftarifrunde fordert die IGBCE Bayern eine deutliche dauerhafte Lohn- und Gehaltssteigerung sowie eine Inflationsausgleichsprämie.

Im zähen Ringen um einen neuen Tarifvertrag in der bayerischen Kunststoffindustrie weicht die IGBCE-Tarifkommission nicht von ihrer Forderung ab.

Es war ein deutliches Signal in Richtung Arbeitgeberseite: Nachdem die erste Runde der Verhandlungen über einen neuen Tarifvertrag in der bayerischen Kunststoffindustrie Ende November im Rahmen der Wirtschaftsdebatte vertagt wurde, machte die IGBCE-Tarifkommission in der zweiten Runde Mitte Dezember klar, dass es nur ein Ergebnis geben kann: ein kräftiges Lohn- und Gehaltsplus für die Beschäftigten. Bei den zähen und schwierigen Verhandlungen, die bis in die Abendstunden dauerten, skizzierten die IGBCE-Kolleginnen und -Kollegen der Arbeitgeberseite einen vorstellbaren Weg, um einem solchen Ergebnis gemeinsam näher zu kommen.

Das Paket mit verschiedenen Bestandteilen aus Inflationsausgleichsprämie, tabellenwirksamer dauerhafter Komponente mit möglichst kurzer Laufzeit bleibt dabei standhaft das Ziel. Umrahmt und unübersehbar in Szene gesetzt wurde die Forderung durch eine imposante Bilderstrecke, die den Weg der Tarifkommission der Arbeitgeberseite zum Verhandlungsraum zierte: Unzählige Kolleginnen und Kollegen aus den Betrieben unterstreichen mit ihren Rückenfotos: „Wir stehen Seite an Seite. Diese Rücken tragen die Forderung. Auf diesen Schultern lastet die Inflation besonders. Auf diesen Rücken tragen wir zum Erfolg der Firma bei.“

Verhandlungsführer Gerd Hammerl: „Unsere Forderungen sind nicht nur berechtigt, sondern auch gerecht.“

Die Arbeitgeberseite dagegen sah sich bis dato nicht in der Lage, ein verhandlungsfähiges Angebot zu unterbreiten. Während sie bislang mit Verweis auf die drückende Kostenlast durch Rohstoff- und Energieversorgung, generell schwierige wirtschaftliche Rahmenbedingungen sowie große Lohnkostenanteile mauert, unterstreicht Gerd Hammerl: „Die Kunststoffbranche im Freistaat blickt – allen Herausforderungen und Schwierigkeiten zum Trotz – mehrheitlich optimistisch auf das Jahr 2024. Davon sollen und müssen insbesondere auch die Beschäftigten der unteren und mittleren Einkommen profitieren.“ Der Verhandlungsführer und stellvertretende Landesbezirksleiter der IGBCE in Bayern sagt weiter: „Die Kolleginnen und Kollegen erwarten ein gutes Stück mehr Geld im Portemonnaie, und die meisten haben es in Zeiten, in denen in ihrem Leben alles rasant teurer geworden ist, schlichtweg bitter nötig.“

Die IGBCE-Forderung bei einer Laufzeit von maximal zwölf Monaten im Einzelnen: eine Lohn- und Gehaltssteigerung (inklusive Auszubildendenvergütung), die unter Berücksichtigung von sozialen Komponenten wie beispielsweise einer Inflationsausgleichsprämie die Kaufkraft der Beschäftigten wiederherstellt. Die tabellenwirksame dauerhafte Komponente soll bei Vollzeitarbeitskräften mindestens 350 Euro, bei Auszubildenden 200 Euro umfassen.

Ein gutes Ergebnis ist bitter nötig.

Gerd Hammerl,
stellvertretender Landesbezirksleiter und Verhandlungsführer

Nach den ersten beiden intensiven Verhandlungsrunden betont Gerd Hammerl: „Unsere Forderungen sind nicht nur berechtigt, sondern auch gerecht. Die Beschäftigten in der Kunststoff verarbeitenden In­dus­trie müssen von ihrer Arbeit leben können und sind derzeit großen und existenzgefährdenden Belastungen ausgesetzt. Gleichzeitig sind sie es, die mit ihrer Arbeit Tag für Tag dafür sorgen, dass die Unternehmen die Herausforderungen unserer Zeit meistern und ihre Innovationskraft erhalten können.“ Die Beschäftigten hätten vor dem Hintergrund der gestiegenen Verbraucherpreise und des Kaufkraftverlusts zudem kaum „Kostensparpotenziale“ und könnten dem nur mit einem Instrument entgegnen: den Wert der Arbeitskraft zu steigern.

Während die Arbeitgeberseite um Verhandlungsführer Walter Vogg, Geschäftsführer im Verband der Kunststoff verarbeitenden Industrie in Bayern e. V., die IGBCE-Forderungen angesichts der wirtschaftlichen Lage und Leistungsfähigkeit der Unternehmen als nicht erfüllbar bezeichnet, gibt IGBCE-Verhandlungsführer Gerd Hammerl zu bedenken: „Auch in der Kunststoff verarbeitenden Industrie suchen die Unternehmen bereits heute händeringend nach Beschäftigten und können offene Stellen nicht mehr besetzen. Wenn sich die Branche nicht abhängen lassen möchte, braucht es wettbewerbsfähige und attraktive Arbeits- und Verdienstbedingungen. Ein entsprechender Tarifabschluss ist deshalb eine vorausschauende und notwendige Investition in die Zukunft.“

Sein Zwischenfazit: „Wir wollen mit dem Forderungspaket wichtige Akzente setzen und insbesondere für unsere Mitglieder die Arbeits- und damit letztlich auch die Lebensbedingungen nachhaltig sichern.“ Einen wichtigen Beitrag, um die Forderung weiter zu bekräftigen, leisteten die Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben mit vielfältigen Aktionen unter dem Motto „Wir müssen sichtbar und laut sein“ in der Zeit bis zur dritten Verhandlungsrunde Ende Januar (nach Redaktionsschluss). „Gemeinsam“, so der Tenor und das Signal in Richtung Arbeitgeberseite, „schultern wir das.“

Einigung erzielt

In der Nacht vom 30. auf den 31. Januar einigten sich Arbeitgeberseite und IGBCE Bayern nach intensiven Diskussionen in der dritten Verhandlungsrunde auf ein gemeinsames Ergebnis. Es bringt insbesondere für die unteren bis mittleren Entgeltgruppen Entlastung. Konkret sieht der Abschluss die Zahlung einer steuerfreien Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 2.600 Euro, einen Sockelbetrag von 225 Euro für jede Entgeltgruppe ab 1. Januar 2025 und ein volles Gehalt als Weihnachtsgeld (vorher 97 Prozent) vor.

Auszubildende erhalten neben einer steuerfreien Inflationsausgleichsprämie von 1.200 Euro im Jahr 2024. Außerdem erhöhen sich die Ausbildungsvergütungen für alle vier Ausbildungsjahre ab 1. Januar 2025 um jeweils 150 Euro.

Die Laufzeit beträgt 15 Monate (bis 31. März 2025).