Der Weg ist das Ziel
In Karlsruhe trafen sich Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter mit Vertreterinnen und Vertretern der Arbeitgeber, um gemeinsame Wege für eine erfolgreiche Transformation der chemischen Industrie im Land auszuloten.
Den Chemie-Sozialpartnern im Land ist klar: Ihr Industriezweig steht mit der Transformation vor massiven Veränderungen, die es dringend zu gestalten gilt. Grund genug für die IGBCE Baden-Württemberg und den Arbeitgeberverband Chemie Baden-Württemberg, im Rahmen der jüngsten Sozialpartnertagung Ansätze und Denkanstöße hierfür zu entwickeln. Dass der Handlungsdruck groß ist, bewies die vom Bundesarbeitgeberverband Chemie vorgestellte Studie „Chemie-Arbeitswelten 2030“. Verschiedene durchgespielte Szenarien prognostizieren teilweise negative Auswirkungen auf die Anzahl der Arbeitsplätze – insbesondere in den Bereichen Verwaltung sowie Forschung und Entwicklung. In diesem Zusammenhang appellierte Nils Hindersmann, Leiter Politik und Internationales in der IGBCE-Hauptverwaltung, an die Arbeitgeber: „Entscheidend für die Zukunftsfähigkeit wird sein, den Personalbedarf der nächsten zehn Jahre zu kennen und zu wissen, wie Beschäftigte zu qualifizieren sind. Ein Problem ist jedoch, dass es in der Realität häufig keine erkennbare Personalplanung gibt oder manchmal eben nicht für jeden Einzelnen klar ist, wohin der Weg am Arbeitsplatz führt.“
Beim Gelatine- und Kollagenhersteller Gelita ist man da schon einen Schritt weiter: Das Unternehmen entwickelte eine Aufbauqualifizierung, bei der sich derzeit zwölf Produktionsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter zu Maschinen- und Anlagenführern und -führerinnen weiterbilden. Der Blockunterricht (480 Unterrichtseinheiten) findet im Werk Eberbach statt. „Die strategische Personalplanung ist fester Bestandteil unserer Unternehmensprozesse“, betont Stefan Metter-Kaller, Personalmanager für gewerbliche und technische Ausbildung. Das Unternehmen greift bei der vorgestellten Maßnahme auf die Möglichkeiten zurück, die das Qualifizierungschancengesetz bietet.
Auch die Miro-Raffinerie setzt beim Thema Bildung an. „Mit unserem Umschulungskonzept für Chemikantinnen und Chemikanten können wir flexibel auf kurzfristigen Personalbedarf reagieren und stellen langfristig die Besetzung unserer Produktionsarbeitsplätze sicher. Unsere Umschülerinnen und Umschüler arbeiten während der Maßnahme bereits auf Schicht“, berichtet Ausbildungsleiter Mathias Wayand. „Auf diese Weise verdoppeln wir die Ausbildungskapazität für Chemikantinnen und Chemikanten und garantieren gleichzeitig ein hohes Qualifizierungsniveau.“
Wenn wir die Bedingungen dazu gestalten wollen, brauchen wir eine große Tarifbindung.
Catharina Clay
Für Unternehmen, die sich dem Strukturwandel oder der Transformation stellen müssen, sind finanzielle Zuschüsse möglich. „Viele wissen gar nicht, was der Staat alles fördert“, so Mathias Voigt, Projektleiter beim Qualifizierungsförderwerk Chemie. Er stellte das zwischen den Chemie-Sozialpartnern vereinbarte, zunächst befristete Projekt der Qualifikation von Vertrauensleuten der IGBCE zu Weiterbildungsmentorinnen und -mentoren vor.
Für Betriebsratsmitglied Maximilian Hahn von Roche ist entscheidend, die Menschen bei den „allgegenwärtigen Veränderungen“ mitzunehmen und zu motivieren. „Wir müssen unsere Arbeitszeit- und Schichtmodelle so gestalten, dass alle stolz darauf bleiben, bei Roche zu arbeiten.“ Hahn sieht gerade in Konzernstrukturen das Problem, „Dinge nur aus dem Blickwinkel von oben nach unten zu denken.“
Landesbezirksleiterin Catharina Clay betonte, die Transformation gemeinsam mit Beschäftigten und Betrieben zum Vorteil aller entwickeln zu wollen. Clay sagte aber auch: „Wenn wir die Bedingungen dazu gestalten wollen, brauchen wir eine große Tarifbindung.“