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Arbeitgebercheck

Foto: Currenta

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Stark im
Verbund

Text Inken Hägermann

Die Transformation hin zu einer klimaneutralen Industrie fordert auch den Chemparkbetreiber Currenta: In seinen drei Chemieparks bietet das Unternehmen den 500 dort ansässigen Betrieben Infrastruktur und Industriedienstleistungen.

Currenta

Wie viele einstmals ausgegliederte Konzernbestandteile hat auch Currenta eine komplizierte „Familiengeschichte“: Die Dienstleistungsgesellschaft betreibt den Chempark, einen Verbund von drei Chemieparks an den Standorten Leverkusen, Dormagen und Krefeld-Uerdingen. Alle drei Standorte waren früher Werke der Bayer AG, die ab 2001 zu Chemieparks weiterentwickelt und 2002 ausgegliedert wurden zunächst als Bayer Industry Services, ab 2007 unter dem Namen Currenta. Bis 2019 hielten Bayer und die Ausgründung Lanxess die Anteile an Currenta, seit 2020 gehört das Unternehmen zu 100 Prozent der Macquarie-Gruppe, einem australischen Finanzinvestor. Zum Chemieparkbetreiber Currenta gehören die Töchter Tectrion (technische/handwerkliche Dienstleistungen) und Chemion (Logistik). Currenta und Tectrion sind enger miteinander verbandelt: Sie haben als Gemeinschaftsbetrieb an jedem Standort jeweils einen gemeinsamen Betriebsrat und einen übergeordneten Gesamtbetriebsrat Currenta-Tectrion. Die Tochter Chemion wiederum wird von einem eigenen Betriebsrat vertreten. Leverkusen ist der größte Chemiepark des Verbunds, die beiden Töchter eingerechnet verzeichnet der Currenta-Standort hier 3.000 Beschäftigte, gefolgt von Dormagen (1.200) und Krefeld-Uerdingen (1.000).

Gründung 2002 als Bayer Industry Services GmbH & Co. OHG, seit 1.1.2008 Currenta GmbH & Co. OHG

Rechtsform GmbH & Co. OHG (mitbestimmt)

Eigner Macquarie Asset Management

Produkt Industrie- und Infrastrukturdienstleistungen für rund 500 Betriebe in Chemieparks

Umsatz 1,8 Milliarden Euro (bis Oktober 2023; 2022: 3,1 Milliarden Euro)

Gewinn/Verlust plus 144,5 Millionen Euro (bis Oktober 2023; 2022: minus 145,8 Millionen Euro)

Fläche 11 Quadratkilometer

Beschäftigte 3.507 (plus Currenta-Töchter: Tectrion 1.042, Chemion 770)

Arbeitsumgebung

Das Arbeitsumfeld bei Currenta gilt als sehr abwechslungsreich: An den drei Standorten des Chemparks sind auf einer Fläche von elf Quadratkilometern 500 Betriebe mit knapp 55.000 Beschäftigten angesiedelt. Die 3.500 Currenta-­Beschäftigten (plus rund 1.800 Beschäftigte bei den Töchtern Tectrion und Chemion) kümmern sich um die Bereitstellung und die Instandhaltung der Infrastruktur für die Kunden, angeboten werden unter anderem Labor- und Analysedienstleistungen, Ver- und Entsorgung sowie die Bereitstellung von Energie. Dementsprechend vielfältig sind die Tätigkeiten und Berufsbilder: Hier arbeiten Chemikantinnen und Chemikanten, Kraftwerkerinnen und -werker, Anlagenmechanikerinnen und -mechaniker, Chemielaborantinnen und -laboranten neben Handwerkerinnen und Handwerkern, Fachleuten für Abwassertechnik oder Wirtschaftsinformatik und Maschinenbau, um nur einige Berufsbilder zu nennen. Besonders ist, dass Currenta über das hauseigene Werksberufskolleg die Ausbildung für die Betriebe im Chempark übernimmt – für große Konzerne wie Bayer, Lanxess oder ­Covestro, aber auch für kleine Betriebe sowie einige externe Partner. 800 bis 1.000 neue Azubis pro Jahr werden ausgebildet. Alle zusammen besuchen die hauseigene Berufsschule, ihre Praxisstationen haben die Azubis dann jeweils im eigenen Betrieb. Die Ausbildung bei ­Currenta gilt als vorbildlich.

Betriebsklima

Das Betriebsklima gilt im Allgemeinen als kollegial und gut. Seit der Gründung vor rund 20 Jahren wurde das Unternehmen mehrfach restrukturiert – das gemeinsame Überwinden von Herausforderungen hat die Mannschaft zusammengeschweißt. Allerdings ist der Kosten- und Transformationsdruck in den vergangenen Jahren stetig gewachsen, dazu kamen zuletzt die Energiepreiskrise und die zunehmende Schwäche der chemischen Industrie dazu. Dementsprechend angespannt ist aktuell die Stimmung im Chempark. Immer wieder gibt es Klagen aus einzelnen Bereichen über starke Arbeitsverdichtung, schlechte Kommunikation und mangelhafte Führungskultur. Das ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass beim Führungspersonal zunächst noch viele Managementkräfte aus der alten Bayer-Welt stammten – und mit der neuen Currenta-Welt kollidierten. Auch die zahlreichen Restrukturierungsmaßnahmen mit den entsprechend häufig wechselnden Vorgesetzten dürften in manchen Bereichen zu Unzufriedenheit und wenig konsistenter Führungskultur geführt haben. Mittlerweile ist Kontinuität in den Führungsrollen eingetreten und auch das schreckliche Ereignis an der Rückstandsverbrennungsanlage in Leverkusen im Juli 2021, das sieben Todesopfer forderte, hat die gesamte Belegschaft enger zusammenrücken lassen.

Mitbestimmung

In Sachen Mitbestimmung läuft vieles gut bei Currenta und Co.: Das sozialpartnerschaftliche Miteinander hat Tradition im Unternehmen, der Chempark war früher Teil des Bayer-Konzerns und ist damit in Sachen Mitbestimmung vorgeprägt. An jedem Standort vertreten Betriebsratsgremien die Interessen der Belegschaften bei der Mutter Currenta und ihren Töchtern Tectrion und Chemion, parallel dazu gibt es jeweils entsprechende JAV- und Vertrauensleutestrukturen in Leverkusen, Dormagen und ­Uerdingen. Der Currenta-­Aufsichtsrat ist paritätisch besetzt. Die Informationspflichten und die Beteiligung des Betriebsrates werden vom Arbeitgeber in aller Regel eingehalten, der Umgang miteinander gilt als respektvoll und wertschätzend. Herausforderungen wie Restrukturierungen habe man in den vergangenen Jahren stets gemeinsam mit der Arbeitgeberseite gestaltet und gestemmt, heißt es. Zudem konnten mehrfach anspruchsvolle Betriebsvereinbarungen abgeschlossen werden etwa zu mobiler Arbeit (schon vor der Corona-Zeit) oder zur Bezuschussung von Weiterbildungsmaßnahmen. Die Übernahme durch die australische Macquarie-Gruppe hatte bislang keine negativen Auswirkungen auf die Sozialpartnerschaft, der neue Eigner hält sich weitgehend aus dem operativen Geschäft heraus.

Tarifbindung

Wie so vieles bei Currenta ist auch das ein komplexes Thema: Bei Currenta und der Tochter Tectrion wird der Flächentarifvertrag in Bezug auf Entgelt zwar komplett übernommen – da allerdings die Eingruppierung nach einer anderen, für Beschäftigte ungünstigeren Systematik als in der chemischen Industrie erfolgt (es gibt fünf Tarifbänder statt 13 Tarifgruppen) und in den vergangenen Jahren einige Tariferhöhungen ausgelassen wurden, liegen die Entgelte in Summe etwa zehn bis 15 Prozent unter denen des Chemieflächentarifvertrags. Bei Chemion werden zudem lediglich 70 Prozent des Chemietarifvertrags übertragen, der Rest gilt als frei verhandelbar. Für Beschäftigte, die vor allem chemienahe Tätigkeiten ausüben, bedeutet das im Vergleich mit den Kolleginnen und Kollegen bei anderen Chemiebetrieben finanzielle Einbußen, Berufsgruppen beispielsweise aus dem handwerklichen Bereich hingegen verdienen in der Regel besser als in ihren eigentlichen Branchen. Auch die Arbeitszeiten weichen teilweise von der Fläche ab, es gibt Bereiche, in denen noch 40 Stunden gearbeitet wird. Für die meisten Beschäftigten bei Currenta und Tectrion gilt allerdings eine 37,5- oder 38-­Stunden-­Woche. Auch bei Bonuszahlungen gibt es immer wieder Unterschiede zwischen Currenta und den Töchtern, was zum Teil für Unmut sorgt.

Zukunftsfähigkeit

Currenta treibt die Transformation hin zu einer klimaneutraleren Produktion voran, als Verbundstandort wird hier stets an einer effektiven Kreislaufwirtschaft geschraubt und die Prozesskette optimiert und beispielsweise die Abwärme des einen Betriebs an Betriebe weitergeleitet, die diese für ihre Produktion brauchen. In Zeiten hoher Energiepreise und knapper Rohstoffe sind Verbundstandorte mit einer optimierten Kreislaufwirtschaft zwar das Zukunftsmodell schlechthin. Allerdings ist Currenta auf die Kundschaft und ihre Aufträge angewiesen. Wenn Kunden schwächeln, Sparmaßnahmen, Jobabbau oder gar Schließungen in den Chemieparks planen, hat der Dienstleister da­rauf keinen Einfluss, sondern muss es nehmen, wie es kommt und dann mit geringeren Umsätzen kalkulieren und Prozesse neu aufstellen. Springt ein Kunde komplett ab, steigen zudem die Umlagekosten für die verbleibenden Betriebe. Die aktuelle Energiepreisentwicklung macht das nicht leichter – zumal die Politik in der Frage zwar mit vielen Unternehmen über Probleme und Herausforderungen spricht, die Bedürfnisse und Schwierigkeiten eines Chemieparkbetreibers aber eher nicht auf dem Schirm hat. Unternehmen und Belegschaftsvertretung versuchen, dennoch Einfluss auf die politischen Rahmenbedingungen zu nehmen.

Das sagt Currenta

Das Unternehmen erklärte, das man einen klaren Fahrplan entwickelt habe, um den nachhaltigen Chemiepark der Zukunft zu gestalten. Gerade als Betreiber von Verbundstandorten könne man einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, dass die chemische Industrie in Deutschland klimaneutral werde.

Unser Fazit

Das Fundament für eine gedeihliche Zukunft bei Currenta ist vorhanden: Der Chempark-Betreiber hat nicht nur viel Erfahrung, gut ausgebildete Fachkräfte und funktionierende Mitbestimmung zu bieten, sondern an seinen Standorten auch effektive Kreislaufwirtschaft etabliert. Verbundstandorte sind eigentlich das Modell der Zukunft: Hier wird, wenn irgend möglich, kein Abfallprodukt, kein Dampf, keine Energie verschwendet, sondern im Rahmen der Kreislaufwirtschaft weiterverwendet, die Betriebe im Chempark profitieren voneinander. Allerdings hat Currenta weder Einfluss auf politische Rahmenbedingungen – wie etwa den Industriestrompreis noch auf die Ausrichtung der Kundschaft und ist damit abhängig von deren Entscheidungen.

Quellenhinweis: Dieser Arbeitgebercheck basiert auf Recherchen bei Beschäftigten, Betriebsräten, Vertrauensleuten sowie Betriebsbetreuerinnen und -betreuern der IGBCE. Die zusammen­getragenen Informationen sind aus Gründen des Quellenschutzes bewusst anonymisiert. Jede Angabe kann jedoch konkret bestimmten Quellen zugeordnet werden. Zudem wurden öffentlich zugängliche Quellen einschließlich der Angaben des Unternehmens selbst genutzt.