Vor Ort

Nordost

Der perfekte Konter

Text Karin Aigner

Martin Schöne und sein Team mit IGBCE-Verhandlungsführer Norbert Winter, beim Volleyball und in seinem Büro.

Fotos (3): privat

Martin Schöne ist Betriebsrat und Tarifkommissionsmitglied bei Litronik. In seiner Freizeit spielt er Volleyball. Ein Gespräch über Parallelen gewisser Spielregeln auf beiden Feldern.

Das Ergebnis ist sensationell: Rückwirkend ab Juli 2023 erhalten die Beschäftigten bei der Litronik GmbH in Pirna sieben Prozent mehr Geld, dann in Schritten bis 2025 in Summe 19 Prozent mehr Entgelt sowie zusätzlich 2.500 Euro Inflationsausgleichsprämie netto. Damit besteht bei dem Batterietechnologieunternehmen zum 1. Januar 2025 ein Lohnniveau von rund 95 Prozent der Fläche Chemie (Ost). Wer und was steckt hinter diesem Erfolg? Und wie kam es dazu?

Martin Schöne (37) lächelt verschmitzt und vermutet: „Beim Volleyball müssen Außenangreifer wie ich, in kürzester Zeit eine Vielzahl an Entscheidungen treffen und eine Menge Informationen verarbeiten, wie zum Beispiel: Wohin geht der gegnerische Aufschlag und was für ein Angriff ist zu erwarten? Oder: Wie gut ist das Zuspiel auf der eigenen Seite? Also eigentlich alles Fragen und Spielregeln, wie sie auch bei einer Tarifverhandlung auftauchen.“ Jedenfalls gibt es keinen Zweifel, dass es nur mit einem guten Team einen perfekten Konter gibt.

Transparenz war großes Plus

Auch bei Litronik war der große Zusammenhalt in der Tarifkommission entscheidend. War der Organisationsgrad im Unternehmen erst mehrheitlich bei Facharbeiterinnen und Facharbeitern, Meisterinnen und Meistern, Technikerinnen und Technikern sowie Ingenieurinnen und Ingenieuren hoch, so stieg er nach einer intensiven Mitgliederwerbung auch in der Produktion an. Martin Schöne: „Wir wussten, wenn es zu einem Streik kommen würde, brauchen wir vor allem die Kolleginnen und Kollegen aus der Produktion. Denn bei einem Stillstand sind sie es, die die Schmerzen auf der Arbeitgeberseite erzeugen.“ Der Arbeitgeber, das ist ein Batterietechnologieunternehmen, das Batterien für implantierbare Herzschrittmacher, Defibrillatoren und Neurostimulatoren herstellt.

Bei allem, was Martin Schöne und sein Team gewerkschaftlich angestoßen haben, wurde darüber nachgedacht, wie es bei den Kolleginnen und Kollegen ankommt. Alle Meilensteine (Forderung, Vorbereitung, Recherchearbeit, Verhandlungstermine, weitere Schritte) wurden per E‑Mail, Brief oder Aushang an die Gewerkschaftsmitglieder übermittelt. Durch diese Transparenz fühlten sich alle gut abgeholt, und letztlich spornte genau die Unterstützung der Gewerkschafts- und der Betriebsratsmitglieder immer wieder an.

Denn nach drei gescheiterten Verhandlungen folgte als Konsequenz eine Streikankündigung. Hellhörig geworden, lenkte die Arbeitgeberseite jedoch in letzter Minute bei der vierten Verhandlungsrunde ein.

Mit Authentizität gepunktet

Was spielte dem sportlichen Betriebsrat bei dem Erfolg noch zu? Klare Aussage von Martin Schöne, dem Automatisierungs- und Computeringenieur: „Die hohe Fluktuation in unserer Firma sowie ein neuer Geschäftsführer, der auf die Belegschaft eingeht – und nicht zuletzt ein von 42 auf 60 Prozent angestiegener Organisationsgrad.“

Aber nicht nur die äußeren Umstände haben den Ausschlag gegeben. Auch persönliche Aspekte spielten eine Rolle in den Verhandlungen. Martin Schöne – er ist auch ehrenamtlicher Richter beim Arbeitsgericht in Dresden – kann Menschen für sich gewinnen: „Ich fülle sicher keine Räume, als Jugendlicher war ich sogar sehr schüchtern, aber im direkten Gespräch kann ich begeistern und bleibe immer authentisch.“

Positiver Blick auf die Zukunft

Martin Schöne ist mit Herzblut Betriebsrat und Tarifkommissionsmitglied. So ist sein berufliches Herzensziel glaubwürdig: nämlich, dass durch das höhere Entgelt weitere Abgänge verhindert und neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewonnen werden können. Sein privater Wunsch ist das Glück seiner bald vierköpfigen Familie sowie eine treue Fangemeinde seines Volleyballvereins TSV Graupa e. V. in der Bezirksklasse Dresden West.