Die AfD hat bei den zurückliegenden Landtagswahlen deutliche Gewinne erzielt. Sie präsentiert sich gern als Partei der einfachen Lösungen für den sprichwörtlichen „kleinen Mann“. Ist das wirklich so? Zeit für einen Realitätscheck.
Dazu haben wir unter anderem das Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2021 und Wahlprogramme zu verschiedenen Landtagswahlen ausgewertet, mit den Schwerpunkten Steuern, Soziales, Rente, Fachkräftemangel. Eine Erkenntnis: Keine andere Partei plant so tiefe Einschnitte ins Sozialsystem wie die AfD und handelt damit gegen die Interessen ihrer Wählerschaft. Ein Konzept, wie beispielsweise die sich aus den AfD-Plänen ergebenden Steuerausfälle von vielen Milliarden Euro kompensiert werden sollen, hat die Partei bislang nicht vorgelegt.
Dabei könnten diese den Sozialstaat zusätzlich hart treffen: Straßen könnten nicht mehr erneuert werden, bei Bundeswehr und Polizei müsste gespart werden. Im Sozialetat könnte der Steuerzuschuss zur gesetzlichen Krankenversicherung und Rentenversicherung gekürzt werden, was die Sozialversicherungsbeiträge steigen lassen würde. Auch das träfe kleine und mittlere Einkommen härter als die großen.
Das Steuerkonzept der AfD
Einfaches, transparentes und gerechtes Steuersystem, mit dem angeblich geringe und mittlere Einkommen entlastet werden. Steuerstufen sollen den progressiven Anstieg der Steuern ablösen und der Grundfreibetrag soll angehoben werden.
Nach Berechnungen des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) entlasten die Steuerpläne vor allem Besserverdienende. Untere Einkommensschichten bis 40.000 Euro Jahreseinkommen profitieren gar nicht. Familien mit einem Jahreseinkommen von bis zu 55.000 Euro verzeichnen zwar leichte Einkommenszuwächse, proportional aber weniger als Besserverdienende.
Das Ehegattensplitting soll durch ein Familiensplitting ersetzt werden, bei dem eine Durchschnittsfamilie mit drei Kindern gar keine Steuern zahlt.
Beim Familiensplitting wird das Modell Vater, Mutter, Kinder belohnt. Es werden nicht Kinder gefördert, sondern die Art des Zusammenlebens. Alleinerziehendenfamilien würden im Vergleich benachteiligt.
Die Erbschaftssteuer soll abgeschafft werden, eine Vermögenssteuer lehnt die Partei ab.
Vermögens- und Erbschaftssteuer lehnt die AfD ab, entlässt damit Vermögende aus der Verantwortung.
Rente mit der AfD
Die AfD verspricht „Freiheit beim Renteneintritt“.
Ein Versprechen, das gut klingt, aber in die Irre führt: Schon heute ist ein Teilrentenbezug ab 63 Jahren (ab 35 Versicherungsjahren) unbegrenzt möglich.
In einem Eckpunktepapier der Partei heißt es: „Wer 45 Beitragsjahre zusammenhat, soll in jedem Fall ohne Abschläge in Rente gehen können.“
Für rund 40 Prozent der Beschäftigten würde das eine deutliche Rentenkürzung bedeuten. Denn die AfD will das feste Renteneintrittsalter abschaffen. Für die volle Rente sollen die Beschäftigten arbeiten, bis sie 45 Beitragsjahre erreicht haben – egal, ob dieser Zeitpunkt erst im Alter von 70 oder 75 erreicht wird.
Als weitere Option für einen selbstbestimmten Übergang in die Altersrente sollen für alle Versicherten ab dem 63. Lebensjahr die Möglichkeiten für einen Teilrentenbezug und Teilzeitarbeit erleichtert werden.
Wie gesagt: Bereits jetzt ist ein Teilrentenbezug ab 63 möglich.
Die AfD und Soziales
Die AfD lehnt Maßnahmen gegen die enormen Mietpreissteigerungen wie den Mietendeckel ab.
Die AfD spricht sich für Vergleichsmieten oder Indexmieten aus. Damit steigen die Mieten automatisch mit der Inflation – Mieten würden somit stärker und völlig unbegrenzt steigen. Die Partei ist zudem gegen sozialen Wohnungsbau, der die Verfügbarkeit von bezahlbarem Wohnraum erhöhen würde.
Dem Mindestlohn steht die AfD kritisch gegenüber.
Zwar ist die AfD nicht mehr grundsätzlich für die Abschaffung des Mindestlohns wie in früheren Jahren. Einer Erhöhung des Mindestlohns von 10,45 auf zwölf Euro im Oktober 2022 stimmte sie dennoch nicht zu.
Die Partei strebt eine Flexibilisierung des Arbeitsrechtes an.
Eine Flexibilisierung des Arbeitsrechts kann beispielsweise schlechteren Kündigungsschutz oder weniger geregelte Arbeitszeiten bedeuten – davon profitieren vor allem Unternehmen, Beschäftigte haben davon in der Regel nichts oder sogar Nachteile. Zu gewerkschaftlichen Themen wie Tarifflucht, mehr Mitbestimmung oder prekärer Beschäftigung hat sie insgesamt keine Konzepte.
AfD-Positionen zum Fachkräftemangel
In ihrem Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2021 erklärt die AfD, dass es sich beim Fachkräftemangel um eine „Behauptung einiger Wirtschaftsverbände und Lobbyisten“ handele.
Fachleute, große Konzerne, kleine Betriebe, der Mittelstand, das Handwerk – alle klagen, dass wegen des Fachkräftemangels Stellen und Ausbildungsplätze nicht besetzt werden können, daraus sogar wirtschaftlicher Schaden entsteht. Die AfD tut das als Behauptung einiger weniger ab und bestreitet damit, dass es Fachkräftemangel überhaupt gibt.
Die AfD Hessen sieht den Staat in der Pflicht, „in der einheimischen Bevölkerung für Kinderreichtum zu werben und wirkungsstarke ökonomische Anreize dafür zu setzen“. Parteichef Tino Chrupalla schloss sich der Forderung im Sommer 2023 an.
Selbst wenn in Deutschland massiv mehr Kinder geboren würden, würde es knapp zwei Jahrzehnte dauern, bis diese dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stünden. Schon jetzt fehlen aber laut Institut der Deutschen Wirtschaft 630.000 Fachkräfte – so viele offene Stellen konnten 2022 nicht besetzt werden. Die Zahl der Geburten lag 2022 bei knapp 740.000. Das bedeutet: Die Zahl der geborenen Kinder müsste sich verdoppeln, damit der AfD-Plan – in 20 Jahren – aufgeht.
Die Partei will die Zuwanderung strikt begrenzen. Auch die Zuwanderung von Fachkräften soll deutlich erschwert und Geflüchtete sollen nicht mehr für den deutschen Arbeitsmarkt qualifiziert werden.
Die AfD hat keine Idee, wie Zuwanderung von qualifizierten Arbeitskräften beziehungsweise die Qualifizierung von bereits Zugewanderten funktionieren könnte, sondern setzt auf populistische und fremdenfeindliche Behauptungen.