Vor Ort

Nord

Neujahrsempfang der IGBCE Nord

Text Michaela Ludwig – Fotos Cordula Kropke

Die Krise der deutschen Industrie und ein aufrüttelnder Appell an die Mitglieder: Das waren die beherrschenden Themen des vierzigsten Neujahrsempfangs des Landesbezirks Nord in Hamburg-Wilhelmsburg.

Jana Sierck und Iris Blohm, Bezirksjugend Hamburg-Harburg, warnen vor rechten Wahlerfolgen: „Die Vergangenheit darf sich nicht wiederholen. Wir stehen für Meinungsfreiheit und das Recht, uns in Gewerkschaften zusammenzuschließen. Für Frauenrechte und gegen die Rückkehr zu traditionellen Familienbildern.“

Wolfgang Baumhöver, Begründer des Neujahrsempfangs, und Hubertus Schmoldt.

Ralf Becker erinnert an die Verantwortung der Sozialpartner.

Es ist eine wertvolle Tradition: Seit vierzig Jahren treffen sich Mitglieder, Ehrenamtliche und ihre Gewerkschaftsvertreterinnen und -vertreter zu Jahresbeginn in Hamburg-Wilhelmsburg zum Neujahrsempfang. Doch selten war die Stimmung unter den rund 600 Gästen so angespannt in Gesprächen bei Brötchen und Musik und später am Rednerpult. „Die Welt brennt und es scheint, als hätten wir anstelle vernünftiger Löschtechnik nur noch Brandbeschleuniger“, brachte es Landesbezirksleiter Ralf Becker auf den Punkt.

„Die Konflikte in den Betrieben werden härter“, stellte er fest und übte scharfe Kritik an der Weigerung des Papierhersteller UPM, den vereinbarten Tarifvertrag umzusetzen. Tarifverträge haben die Verbindlichkeit von Gesetzen, sagte er und drohte, deren Einhaltung notfalls gerichtlich einzuklagen. „Ein solches Verhalten gefährdet den Grundsatz der sozialen Partnerschaft.“

Michael Vassiliadis forderte vor rund 600 Mitgliedern sowie Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Verbänden, Unternehmen und des DGB Entscheidungen für den Industriestandort Deutschland.

Dass Deutschland seinen Wohlstand verliert, sei mittlerweile auch für viele Beschäftigte spürbar, sagte Becker. Die aufgrund von Kriegen, Kämpfen auf den Weltmärkten und einer schwächelnden deutschen Wirtschaft angespannte Situation spiele Populisten in die Karten. Zutiefst besorgt sei er angesichts der wachsenden Zustimmungsraten für die AfD. „Zeigt diesen Nazis die Stirn! Die AfD ist unser Feind!“

IGBCE-Chef Michael Vassiliadis verurteilte alle Versuche, einem entfesselten Kapitalismus das Wort zu reden. Er erinnerte an das im Grundgesetz festgeschriebene Bekenntnis zu einer sozialen Gesellschaft auf der Grundlage einer sozialen Marktwirtschaft. Wesentliche Pfeiler seien Gewerkschaften, die in den Branchen als Sozialpartner mit den Arbeitgebern Tarifverträge und Vereinbarungen erzielen und umsetzen. „Wir wollen die soziale Marktwirtschaft verteidigen, denn sie gehört zu den besten Modellen weltweit.“

Dringendste Aufgabe einer neuen Regierung sei es, die Marktwirtschaft fit für die Zukunft zu machen. Dafür forderte Michael Vassiliadis ein umfangreiches Konjunkturprogramm, staatliche Investitionsanreize und ­gedeckelte Strompreise.