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Arbeitgebercheck

Foto: Picture Alliance | Christian Charisius | dpa

Fast die Crème
de la Crème

Text Katja Pflüger

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Unter dem Dach der Beiersdorf AG werden seit mehr als 140 Jahren Markenartikel wie Nivea, Tesa, Hansaplast oder Labello hergestellt. Nach außen präsentiert sich das Unternehmen gern als Vorzeigearbeitgeber. Doch auch bei Beiersdorf läuft nicht alles wie geschmiert.

Beiersdorf

Die unverwechselbare blaue Cremedose mit dem Nivea-Schriftzug in dicken weißen Buchstaben und den typischen Geruch der Creme kennen viele. Was sie aber oftmals nicht wissen, ist, dass die Erfolgsgeschichte von Beiersdorf – dem Unternehmen hinter Nivea – im Jahr 1882 mit Pflastern begann. Im Herbst 1880 kaufte der Apotheker Paul Carl Beiersdorf eine Apotheke in Hamburg. Dort entwickelte er ein Verfahren zur Herstellung von medizinischen Pflastern und meldete dafür im März 1882 sein erstes Patent an. 1890 erwarb der Apotheker Dr. Oscar Troplowitz das Laboratorium und baute es zu einem Markenartikelunternehmen aus. In den ersten Jahren beschäftigte sich die junge Firma neben der Produktion der medizinischen Pflaster auch mit der Entwicklung erster Klebebänder und legte damit den Grundstein für die Marken Tesa und Hansaplast. Es folgten 1909 der erste Lippenpflegestift unter dem Namen Labello und 1911 die erste stabile und damit für die industrielle Herstellung geeignete Fett- und Feuchtigkeitscreme der Welt – die bekannte Nivea-Creme. Die blaue Dose mit dem weißen Schriftzug feierte aber erst 1925 Premiere. Heute umfasst die Nivea-Familie rund 500 Produkte von Aftershave über Deo und Shampoo bis hin zu Sonnenschutzprodukten.

Gründung: 1882

Sitz: Hamburg

Eigner: Maxingvest Group (Familie Herz, hält mehr als 50 Prozent der Aktien)

Rechtsform: AG, mitbestimmt

Börsengang: 1928, im Dax seit 2008

Konzernumsatz: 9,4 Milliarden Euro (2023)

Konzernergebnis vor Steuern: 1,1 Milliarden Euro (2023)

Beschäftigte: rund 22.000 weltweit (davon 6.500 in Deutschland)

Standorte: weltweit mehr als 170 Tochtergesellschaften und Standorte

Arbeitsumgebung

Beiersdorf ist ein weltweit agierender Konzern. Es gibt fast in jedem Land eine Dependance. Von den 6.500 Beschäftigten in Deutschland arbeiten allein rund 5.500 im Großraum Hamburg. Der Konzern ist fest in der Hansestadt verwurzelt. Beiersdorf ist in zwei Unternehmensbereiche gegliedert: Consumer und Tesa. Im Bereich Consumer sind alle Haut- und Körperpflegeprodukte der bekannten Marken Nivea, Eucerin, Labello und Hansaplast gebündelt. Seit 2001 ist die Tesa SE ein geführter Teilkonzern innerhalb von Beiersdorf.
Noch heute befindet sich der Hauptsitz des Unternehmens im Hamburger Stadtteil Eimsbüttel, wo 1892 die erste Fabrik entstand. Hier sind neben der Verwaltung unter anderem auch die Zentralfunktionen, IT sowie Forschung und Entwicklung ansässig. Der 2023 eröffnete Beiersdorf Campus ist nach eigenen Angaben das modernste Headquarter Hamburgs. Auch eine der drei großen Produktionsstätten in Deutschland steht in Hamburg. Ein weiteres hochmodernes Produktionszentrum gibt es seit 2023 in Leipzig.
Bei Beiersdorf ist nahezu jede Berufsgruppe zu finden: von Anlagenfahrer*innen über Controller*innen, Ingenieur*innen, Jurist*innen, Köch*innen, Marketingfachleute, Laborbeschäftigte bis hin zu technischem Personal und Beschäftigten in der Qualitätssicherung. Die Jobs sind vielfältig.

Betriebsklima

Beiersdorf ist in jeder Hinsicht breit aufgestellt. Die Beschäftigten kommen aus aller Herren Länder. Viele arbeiten gern bei Beiersdorf, auch wenn manche ältere Kolleginnen und Kollegen die Zusammenarbeit heute bei Weitem nicht mehr als so familiär empfinden wie früher. Der Druck hat vor allem in der Produktion in den vergangenen Jahren zugenommen, das Unternehmen ist stark umsatzgetrieben. Häufige Führungskräftewechsel und die Verlagerung einer großen Produktionsabteilung von Hamburg nach Leipzig haben in der Vergangenheit für viel Unruhe unter den Beschäftigten gesorgt.
Durch die starke Markenorientierung treten die Kolleginnen und Kollegen nach außen hin nicht immer als eine Einheit auf. Man arbeitet für Nivea oder Eucerin – nicht für Beiersdorf. Dem versucht die Unternehmensführung mit „One Beiersdorf“ eine neue Richtung zu geben.
Beiersdorf bietet einen bunten Strauß von Sozialleistungen: Unter anderem gibt es einen eigenen Betriebskindergarten, einen betriebsärztlichen Dienst, ein Fitnesscenter, betriebliche Altersvorsorgeprogramme (zum Teil vom Arbeitgeber finanziert) sowie zahlreiche Weiterbildungsangebote.
Besonders vorbildlich: Bei Beiersdorf herrscht Geschlechterparität. Seit September 2023 sind weltweit mehr als 50 ­Prozent der Führungspositionen auf allen Führungsebenen mit Frauen besetzt.

Mitbestimmung

Mitbestimmung hat bei Beiersdorf eine sehr lange Tradition. Das Unternehmen hat einen Konzernbetriebsrat sowie eigene Betriebsratsgremien in allen zehn deutschen Tochtergesellschaften. Jedes Betriebsratsgremium entsendet aus seinen Reihen zwei Mitglieder in den zwanzigköpfigen Konzernbetriebsrat. Neben den Betriebsratsgremien vertreten eine Jugend- und Auszubildendenvertretung sowie eine Schwerbehindertenvertretung die Interessen der jungen und der schwerbehinderten Beschäftigten. Vertrauensleutekörper gibt es zumeist nur noch in den Produktionsgesellschaften.
Das Unternehmen hält sich im Wesentlichen an alle Informations- und Beteiligungspflichten. Dennoch gibt es Defizite, zum Beispiel beim Thema künstliche Intelligenz (KI). Hier hat das Unternehmen zu lange gezögert, klare Regelungen für die Nutzung von KI zu schaffen. Nun versucht man im Schweinsgalopp des Themas Herr zu werden. Eine Betriebsvereinbarung zu KI ist zwar in Arbeit, es gibt sie aber noch nicht. Auch bei anderen Streitthemen wird die Zusammenarbeit auf Augenhöhe nicht immer gelebt und der Betriebsrat muss seine Ziele mit harten Bandagen erkämpfen.
Die Zusammenarbeit zwischen Unternehmensleitung und Gewerkschaft läuft hingegen mittlerweile vorbildlich. Der Vorstand hat verstanden, dass die Gewerkschaft wichtig ist. Der zwölfköpfige Aufsichtsrat ist paritätisch besetzt.

Tarifbindung

Alle Gesellschaften des Beiersdorf-Konzerns unterliegen dem Flächentarifvertrag Chemie. Einzelne Haustarifverträge oder Öffnungsklauseln gibt es nicht. Aber es gibt zahlreiche Betriebsvereinbarungen etwa zum Thema Arbeitszeit, zum mobilen Arbeiten, zu IT-Anwendungen, zur Vergütung für außertarifliche Mitarbeiter*innen und noch viele mehr.
Die Wochenarbeitszeit beträgt 37,5 Stunden pro Woche. In der Produktion wird in verschiedenen Schichtmodellen gearbeitet. Im Angestelltenbereich gelten flexible Arbeitszeitmodelle. Bis zu vierzig Prozent der Arbeitszeit können mobil gearbeitet werdenzumindest in den Bereichen, wo es möglich ist. Bei Beiersdorf herrscht Entgeltgleichheit von Männern und Frauen. Diese wird einerseits über die tarifvertragliche Entgeltstruktur und andererseits über die innerbetrieblichen Prozesse zur Bewertung außertariflicher Positionen sichergestellt.
In der Vergangenheit hat Beiersdorf den Beschäftigten bei Arbeitsplatzverlusten (unter anderem durch die Verlagerung von Produktion) eine Altersteilzeitlösung nach dem Tarifvertrag der IGBCE angeboten. Dieses Modell für einen früheren beziehungsweise schrittweisen Ausstieg aus dem Arbeitsleben besteht momentan nicht. Die Belegschaft würde dieses aber gern nutzen. Ein anderer Weg für die Beschäftigten, um früher in Rente gehen zu können, ist das Langzeitkonto.

Zukunftsfähigkeit

Beiersdorf investiert viel in innovative Produkte und in seine Zukunft. Allein im Jahr 2023 flossen rund 320 Millionen Euro in Forschung und Entwicklung. So gibt es unter anderem eine Kollaboration mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ), wo Forschende Hautzellen untersuchen, um die biologische Alterung zurückzudrehen und damit das Hautkrebsrisiko zu reduzieren.
In Sachen Fachkräfte hat Beiersdorf (noch) wenig Handlungsbedarf. Der Name Nivea zieht ausreichend geeignetes Personal an. Eigener Nachwuchs wird mit einem Traineeprogramm oder durch Auszubildende gefördert. Ungefähr 35 Auszubildende zählt ein Jahrgang zu wenig aus Sicht des Betriebsrats. Rund drei Viertel werden übernommen, davon einige unbefristet.
Zum Thema Klimaneutralität und Umweltschutz hat das Unternehmen klare Ziele definiert, um Energie und CO2 einzusparen. Das Produktionszentrum in Leipzig erfüllt als Vorzeigestandort bereits höchste Umweltstandards. Die hier produzierten Aerosoldosen haben einen reduzierten CO2-Fußabdruck. Außerdem nutzt der Standort zur Energieversorgung eigens erzeugte Solarenergie. Durch den Einsatz von Biogas zur Wärmegewinnung läuft das Werk nahezu CO2-neutral. Der Produktionsstandort Hamburg hinkt da deutlich hinterher. Dringend benötigte Investitionen in Infrastrukturmaßnahmen wurden hier bisher nicht angeschoben.

Das sagt Beiersdorf

Beiersdorf bietet den Mitarbeitenden ein innovatives, inklusives, internationales und unterstützendes Arbeits­umfeld. Ziel sei es, Talente zu fördern und langfristig zu binden. Flexible Arbeitsmodelle spielen dabei eine wichtige Rolle. Luft nach oben sehe man in der weiteren Digitalisierung der Prozesse.

Unser Fazit

Vieles bei Beiersdorf läuft richtig gut. Zum Beispiel, dass Männer und Frauen gleich bezahlt werden und dass Geschlechterparität auf allen Führungsebenen herrscht. Die Sozial­leistungen können sich sehen lassen. Für die Rechte der Beschäftigten muss der Betriebsrat aber zum Teil mit harten Bandagen kämpfen.
Als Konsumgüterhersteller ist das Unternehmen stark vom Markt abhängig, was zu einem hohen Arbeitsdruck führt, vor allem bei den Beschäftigten in der Produktion. Für den Erfolg investiert Beiersdorf zudem kräftig in Forschung und Entwicklung. Und auch in Sachen Klimaneutralität und Umweltschutz ist man auf dem Weg. Investitionen an älteren Standorten kommen dennoch etwas zu kurz.

Quellenhinweis: Dieser Arbeitgebercheck basiert auf Recherchen bei Beschäftigten, Betriebsräten, Vertrauensleuten sowie Betriebsbetreuerinnen und -betreuern der IGBCE. Die zusammen­getragenen Informationen sind aus Gründen des Quellenschutzes bewusst anonymisiert. Jede Angabe kann jedoch konkret bestimmten Quellen zugeordnet werden. Zudem wurden öffentlich zugängliche Quellen einschließlich der Angaben des Unternehmens selbst genutzt.