Vor Ort

Nordrhein

Leben für den Chempark

Text Leo Kölzer

Der Currenta-Konzernbetriebsratsvorsitzende Detlef Rennings zu den Herausforderungen für den Industriestandort Krefeld-Uerdingen – gestern, heute und morgen.

Foto: Currenta

Detlef Rennings

Foto: Privat

Mit einem Becher Kaffee in der Hand steht Detlef Rennings am Fenster und blickt auf jenes Gelände, das er seit der Ausbildung sein Zuhause nennt. Der Betriebsratsvorsitzende von Currenta am Standort Krefeld-Uerdingen und Vorsitzender des Konzernbetriebsrats (KBR) erinnert sich, schaut zurück. Für den 58-Jährigen ist der Chempark Krefeld-Uerdingen mehr als nur ein Arbeitsplatz – er gehört zu seiner Identität.

Standort ist Teil der Familie

Rennings arbeitet seit 40 Jahren am Standort und führt damit eine lange Familientradition fort. Sein heute 95-jähriger Vater und sein 83-jähriger Onkel haben ebenfalls schon im Chempark gearbeitet und dort ihre Spuren hinterlassen. Der Gewerkschafter denkt gern an die Geschichten, die sein Vater und sein Onkel ihm erzählt haben, als er selbst noch ein junger Mann war. Geschichten von harten Arbeitsbedingungen und schwierigen Zeiten, aber auch von Zusammenhalt und Solidarität unter den Beschäftigten. Geschichten von Transformationen, Hürden und Veränderungen. „In vielen dieser Erinnerungen erkenne ich Parallelen zur heutigen Zeit“, sagt er.

Der Uerdinger macht sich Gedanken über die Zukunft des Standorts. In den kommenden fünf bis sieben Jahren geht er in Rente und hinterlässt einen Chempark, der vor großen Herausforderungen steht. Die Transformation zu einer nachhaltigen Produktion, die Anpassung der Arbeitswelt an neue Technologien und die Stärkung der Mitbestimmung sind dabei zentrale Themen. Fluch und Segen eines Verbundstandorts sei die Abhängigkeit untereinander, sagt Rennings. Das End- oder Nebenprodukt des einen bilde die Basis für den anderen. „Wenn sich einer der Betriebe bei uns verabschiedet, hat das direkte Auswirkungen auf die anderen und damit den gesamten Standort.“ Deshalb müsse alles dafür getan werden, als Industriestandort attraktiv zu bleiben.

Auf 175 Jahre Mitgliedschaft in der Gewerkschaft kommen Detlef Rennings, sein Vater und sein Onkel zusammen. Dafür gab es für jeden eine Urkunde von der IGBCE.

Foto: Currenta

Nachhaltigkeit ist ein Schlüssel

Kopfzerbrechen bereitet dem KBR-Vorsitzenden eine dafür essenzielle Veränderung: der Weg hin zur Klimaneutralität. „Als Chemieparkbetreiber müssen wir Produktionsbedingungen schaffen, die nachhaltig, versorgungssicher und bezahlbar sind.“ Dafür sei die Bedeutung von Wasserstoff unbestritten. Das Problem: Noch sind die Herausforderungen bei dessen Herstellung und Speicherung sowie der Infrastruktur immens. „Nur durch angemessene Energiepreise und wahrscheinlich mit der Schlüsseltechnologie Wasserstoff im Rücken bleibt der Industriestandort Deutschland salonfähig“, ist sich Rennings sicher. In der Politik sei diese Erkenntnis aber leider noch nicht in allen Köpfen angekommen.

Überhaupt sei die Geschwindigkeit der Veränderungen insgesamt problematisch, denn neben den Nachhaltigkeitsthemen gehe es auch um Industrie 4.0. „Ich habe schon den Wandel zur Industrie 3.0 miterlebt. Die Erinnerung daran, dass wir seinerzeit die Dinge auch vernünftig geregelt haben, hilft mir dabei, den Glauben nicht zu verlieren.“

Ein wichtiger Faktor dabei sei, dass sich die nächsten Generationen in den Mitbestimmungsgremien ähnlich gut vernetzen, wie Rennings Generation es getan habe. „Wir haben alle noch gemeinsam unter dem Dach von Bayer gearbeitet und waren alle in einem Betriebsrat. Das hat die Betriebsratsarbeit auch nach der Aufspaltung des Konzerns enorm erleichtert.“ Gemeinsam mit der IGBCE arbeiteten die Betriebsräte nun daran, den Nachwuchs betriebsübergreifend anzubinden. „Netzwerken ist das A und O“, betont Rennings.

Netzwerken ist das A und O.

Detlef Rennings,
Konzernbetriebsratsvorsitzender Currenta

Und was kommt von politischer Seite?

Wir finden schon Gehör in der Politik – das ist schon mal gut. Es geht mir alles nur zu langsam. Wir brauchen ein schnelles und entschlossenes Handeln der Politik und keine endlosen Diskussionen oder noch mehr Bürokratie, sonst verlieren wir in Deutschland immer mehr an Boden. Die Politik muss ihrer Verantwortung für unsere Betriebe und den damit verbundenen Arbeitsplätzen gerecht werden. Wir brauchen eine Industriepolitik, die Standort- und Beschäftigungssicherung in den Fokus des Handelns stellt – für Deutschland und Europa. Und das so schnell wie möglich. Jetzt gilt es zu verhindern, dass unsere mitbestimmten Arbeitsplätze nach China oder in die USA abwandern, weil wir hier in Deutschland nicht mehr wettbewerbsfähig produzieren können. Da müssen jetzt ganz schnell Lösungen auf den Tisch und eine davon muss heißen: Industriestrompreis!

Vor allem ist dem Gewerkschafter eines wichtig: dass die Geschichte des Chemparks Krefeld-Uerdingen auch in Zukunft lebendig bleibt. Und was die vielfältigen Herausforderungen betrifft, die er beschreibt? Da ist er sich sicher: „Gemeinsam schaffen wir das.“


Der Chempark

Seit 1877 gibt es den Standort Krefeld-Uerdingen. Eines der bekanntesten Chemieprodukte, das auf dem 260 Hektar großen Gelände produziert wird, ist das Polycarbonat Makrolon®, Trägermaterial unter anderem für die DVD- und CD-Produktion. Die Chemieparkpartner 40 Betriebe befinden sich auf dem Gelände – stellen zudem Polyurethane, Polyamide, Durethan®, Adipinsäure und Beschichtungen, Weiß- und Farbpigmente sowie Zwischenprodukte für Pflanzenschutzmittel, Geruchs- und Geschmacksstoffe her. Der Chemiepark, in dem 8.488 Menschen arbeiten, ist einer der größten Ausbilder in der Region.