Vor Ort

Nord

Die Fachkräfte von morgen

Text Michaela Ludwig – Foto Kai-Uwe Knoth

Azubis aus den IGBCE-Branchen fordern von den Arbeitgebern mehr Einsatz für Ausbildung und werben selbst um Nachwuchs für ihre Branchen.

Foto: IGBCE Hamburg-Harburg

Yusuf Kesici

Foto: Privat

Spannende Arbeitsinhalte und gutes Einkommen: Die Jugend in den IGBCE-Branchen ist überzeugt, dass die Arbeitsbedingungen und Zukunftsperspektiven stimmen. „Die chemische Industrie spielt eine Schlüsselrolle auf dem Weg in eine nachhaltige Zukunft“, sagt Deniz-Yusuf Kesici, der bei Aurubis in Hamburg eine Ausbildung zum Chemikanten absolviert. „Aufgrund ihrer Größe kann sie zum Antreiber werden und zum Beispiel bei der Nutzung nachhaltiger Energien Trends für die gesamte Gesellschaft setzen.“

Lucca Voßkuhl

Foto: Mandy Klötzer

Dass Tarifvertrag, Betriebsrat und Jugend- und Auszubildendenvertretungen (JAV) zwar bei der BÜFA in Oldenburg Standard, anderswo jedoch keine Selbstverständlichkeit sind, erlebt Lucca Voßkuhl, Auszubildende zur Industriekauffrau, immer wieder in Gesprächen mit Berufsschulkolleginnen und -kollegen: „Da gibt es Riesenunterschiede.“ Und trotzdem tun sich die Betriebe im Norden schwer, ihre Ausbildungsplätze zu besetzen. So blieb im vergangenen Jahr jeder zehnte der 1.650 angebotenen Ausbildungsplätze unbesetzt. Diesen Zustand nennt Leonie Koch „nicht akzeptabel“: „Die Zahl der Jugendlichen ohne Ausbildung steigt und wir haben bereits heute einen akuten Fachkräftemangel.“

Die Jugendsekretärin im Landesbezirk kritisiert, dass viele große Unternehmen noch immer eine Elitenauslese betreiben. „Es gehen Tausende Bewerbungen ein – dennoch behaupten sie, nicht genügend geeignete Bewerberinnen und Bewerber zu finden.“ Auch Onlinetests als Teil des Bewerbungsverfahrens lehnt sie als „soziale Auslese“ und unfair ab. Die Bedingungen seien aufgrund unterschiedlicher materieller Voraussetzungen nicht für alle gleich. „Wer kein eigenes Gerät, kein ruhiges Zimmer hat und keine Unterstützung durch die Eltern erhalten kann, hat definitiv schwierigere Voraussetzungen.“

Zustand nicht akzeptabel.

IGBCE-Jugendsekretärin

Leonie Koch räumt jedoch ein, dass bei einem Teil der klein- und mittelständischen Betriebe in ländlichen Gegenden tatsächlich zu wenig Bewerbungen eingehen. Um sie zu unterstützen, haben sich sogenannte Kooperationsausbildungen bewährt. So stellt der Hamburger Kupferproduzent Aurubis kleineren Betrieben seine Lehrwerkstätten und das hauptamtliche Ausbildungspersonal zur Verfügung. Eine gute Möglichkeit, die Ausbildung benachteiligter Jugendlicher zu unterstützen, bietet die sozialpartnerschaftlich geförderte Qualifizierungsoffensive „Start in den Beruf“. Perspektivisch müssten Unternehmen stärker in ihre (potenziellen) Auszubildenden investieren, um ihren Bedarf an Fachkräften zu decken, ist Leonie Koch überzeugt.

Antonia Trapp

Foto: BÜFA-Betriebsrat

Mehr Engagement fordert auch die Gewerkschaftsjugend, die die IGBCE-Offensive „Fachkräfte fallen nicht vom Himmel – ohne Ausbildung keine Zukunft“ unterstützt. Wie bei Symrise in Holzminden übernehmen die JAV einen Teil der Verantwortung und begleiten die Jugendlichen auf ihrem Weg ins Berufsleben. „Unser Ziel ist es, junge Leute für uns zu begeistern und die Ausbildung bei uns attraktiver zu machen“, berichtet die JAV-Vorsitzende Antonia Trapp. „Vom Arbeitgeber wünschen wir uns, die Ausbildungskapazitäten nicht nur zu halten, sondern zu erhöhen.“ Laut Lucca Voßkuhl, JAV-Mitglied bei BÜFA, sei ein Umdenken der Arbeitgeber erforderlich. „Heutzutage müssen sie realisieren, dass die Jugendlichen eine Wahl haben.“ Unternehmen sollten deshalb mehr in die Anwerbung investieren. „Sie müssen sich attraktiv darstellen und auf die Jugendlichen zugehen, so wie wir es bei BÜFA tun.“ Das funktioniere heute am besten über das Internet und Social Media, wo auch ihr Arbeitgeber bereits sehr aktiv ist.

Titus Post

Foto: Privat

Wie die Angebote der IGBCE den Spaß an der Ausbildung erhöhen, beschreibt Titus Post, JAV-Mitglied bei BP Lingen. So könnten sich beim Azubi-Stammtisch Gleichaltrige aus unterschiedlichen Unternehmen über gewerkschaftliche und betriebliche Themen austauschen. „Und auf meinem ersten Bildungsurlaub habe ich nette Kolleginnen und Kollegen kennengelernt – und unheimlich viel Neues erfahren.“


Auszubildende aus dem Landesbezirk engagieren sich in betrieblichen Gremien.