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Solidarität ohne Grenzen

Text Michaela Ludwig

Das Siegfried-Euro-Forum (SEF) wurde, begleitet durch die IGBCE, Ende November 2023 im schweizerischen Zofingen konstituiert.

Foto: Siegfried Holding

Im Landesbezirk vertreten 25 Europäische Betriebsräte aus europaweit tätigen Unternehmen die Interessen ihrer Kolleginnen und Kollegen. Drei von ihnen berichten über die Möglichkeiten und Grenzen des transnationalen Gremiums.

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Ob drohende Standortveränderungen, Reaktionen auf internationale Krisen oder die Folgen des Ukraine-Kriegs: Immer mehr Betriebsräte in transnationalen Konzernen fordern einen besseren Einblick in die globalen Unternehmensstrategien ihres Arbeitgebers. Um die Interessen der Belegschaft grenzübergreifend zu vertreten, gründen sie einen Europäischen Betriebsrat (EBR) wie als jüngstes Beispiel im Landesbezirk innerhalb der Siegfried-Gruppe. „Alle Entscheidungen und Entwicklungen, die direkten Einfluss auf die Belegschaften nehmen können, landen vor ihrer Einführung auf unserem Tisch“, berichtet Stephan Seiffert vom Glaswerk Obernkirchen, EBR-Vorsitzender der Ardagh-Gruppe. Das 22-köpfige Gremium aus sieben EU-Ländern und trotz Brexit auch aus England, Schottland und Wales vertritt rund 10.000 Beschäftigte. Wie in den EBR-Richtlinien aus den Jahren 1994 und 2009 festgeschrieben, hat das Gremium das Recht auf Information und Anhörung durch die Unternehmensleitung.

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So muss der EBR der Ardagh-Gruppe beispielsweise im Vorfeld informiert werden, wenn an einem Standort Stellen abgebaut oder Produktionen verlagert werden sollen. Über den gesetzlichen Mindeststandard hinaus geht jedoch die Vereinbarung, dass das Gremium rechtzeitig über jegliche IT-Maßnahmen, die der Leistungs- oder Verhaltenskontrolle dienen, in Kenntnis gesetzt wird. „Wir prüfen die Pläne und geben eine Stellungnahme ab“, berichtet Stephan Seiffert. „Bisher wurde noch keine Maßnahme, die das Gremium abgelehnt hat, eingeführt.“ So konnte für einen englischen Standort eine Regelung erreicht werden, nach der rund 80 Überwachungskameras abgebaut werden mussten. Diese Form der Zusammenarbeit ist vorbildlich. Rund 40 Delegierte umfasst der EBR des französischen Staatskonzerns EDF, zu dem die ebenfalls französische Tochtergesellschaft Framatome mit der deutschen Advanced Nuclear Fuels GmbH (ANF) gehört. Wolfgang Wolter vom Lingener Brennelementehersteller vertritt die deutschen Standorte in den Euro-Betriebsräten beider Konzerne. Ihrer Selbstverpflichtung folgend, informieren sie auf den regelmäßigen Treffen über die aktuelle Sicherheits- und Gesundheitssituation, die strategische Ausrichtung sowie die Situation in den sechs beteiligten Staaten. Dies geschehe „sehr transparent“, versichert Wolfgang Wolter. Darüber hinaus können die Delegierten ihre Standortthemen in das Gremium einbringen und „Gehör finden“.

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In vielen Europäischen Betriebsräten funktioniert die rechtzeitige Informationsweitergabe nicht so reibungslos. Das kritisiert auch Volker Neumann, Gründungsmitglied des Vynova European Employee Forum (VEEF), das 1.200 Beschäftigte in fünf Ländern vertritt. Problematisch: Die EBR-Richtlinie sieht keine Sanktionsmaßnahmen für säumige Unternehmens- oder Konzernspitzen vor. „Verglichen mit dem deutschen Betriebsverfassungsgesetz hat der EBR nicht viel Macht“, konstatiert Neumann. Die gesetzlichen Grundlagen der einzelnen Staaten seien sehr unterschiedlich, ebenso der dort gepflegte Umgang zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmenden. „In Deutschland haben wir mehr Handhabe.“ Entscheidend sei deshalb, wie gut die Betriebsräte vernetzt seien und Informationen über ihre Standorte austauschten.

Hierin sieht auch Franziska Laudenbach die Stärke von EBR. „Die Gefahr, dass Standorte gegeneinander ausgespielt werden, sinkt, wenn diese sich im Gremium regelmäßig und zeitnah informieren“, resümiert die Wissenschaftlerin vom Zentrum für Arbeit und Politik der Universität Bremen. „So ergeben sich neue Handlungsmöglichkeiten.“ Es gehe darum, die verschiedenen Ebenen der Mitbestimmung kreativ und strategisch zum Vorteil des Europäischen Betriebsrats zu nutzen.

Aktuell bereitet das EU-Parlament eine Überarbeitung der Richtlinie vor, mit der die Informations- und Anhörungsrechte der Europäischen Betriebsräte gestärkt werden. Magali Schleifer, zuständige IGBCE-Fachsekretärin, begrüßt, dass „Sanktionen bei Verstößen künftig klar geregelt werden“. Zudem sollen die EBR weiblicher werden: „Es wird ein Frauenanteil von 40 Prozent vorgegeben.“