Vor Ort

Baden-Württemberg

Sozialpartner diskutieren

Text Axel Stefan Sonntag – Fotos Klaus Landry

Transformation, Digitalisierung und Energiewende fordern auch die bislang gut gelebte Sozialpartnerschaft in der Chemie heraus. Beim Neujahrsempfang bot das viel Gesprächsstoff.

Catharina Clay

Anlässlich der aktuellen Chemie-Tarifrunde war das Motto des Neujahrsempfangs bewusst gewählt. Landesbezirk und Bezirk Stuttgart stellten ihre traditionsreiche Veranstaltung unter die Frage „Wie sieht die Sozialpartnerschaft der Zukunft aus?“. Für Landesbezirksleiterin Catharina Clay ist die seit Jahrzehnten in der Chemie gelebte Sozialpartnerschaft mitsamt den bislang ohne Streiks erreichten starken und innovativen Tarifverträgen eigentlich ein Erfolgsmodell. „Die Unternehmen schätzen die Erleichterungen für die betriebliche Praxis. Tariffrieden hat aus Sicht der Unternehmer einen betriebswirtschaftlichen Nutzen. Doch unsere Mitglieder erwarten ebenfalls einen betriebswirtschaftlichen Nutzen“, sagte sie und zielte damit auf eine der Forderungen in der Tarifrunde 2024 ab. „Mitglieder zahlen ihren Gewerkschaftsbeitrag und erwarten, dass die Mitgliedschaft einen spürbaren Unterschied macht. Daran müssten auch die Arbeitgeber ein Interesse haben, denn eine starke Gewerkschaft ist wesentlich für die Sozialpartnerschaft“, betonte Clay vor mehr als 80 Gästen. „Unsere Mitglieder erwarten hier Antworten.“

Christoph Huchler (links) moderierte die Diskussion zur Sozialpartnerschaft zwischen Irmtraud Schneele-Schultheiß und Björn Sucher.

Netzwerken beim Get-together vor Veranstaltungsbeginn.

Für Christoph Huchler, Betriebsratsmitglied bei Boehringer Ingelheim am Standort Biberach, war dies eine Steilvorlage. Er moderierte die Diskussion zwischen Irmtraud Schneele-Schultheiß, Betriebsratsvorsitzende bei der Pigmentsparte von Sun Chemical, und Björn Sucher, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands Chemie Baden-Württemberg. „Wir sind in der Vergangenheit Wege gegangen, bei denen man uns einiges zumutete. Da denke ich zum Beispiel an Entscheidungen nach der weltweiten Finanzkrise“, sagte Schneele-Schultheiß mit Blick auf die Tarifpolitik der vergangenen Jahre. Sie weiß, wovon sie spricht die Betriebsrätin war mehr als 20 Jahre lang Tarifkommissionsmitglied. „Ich sehe jetzt die Arbeitgeber in der Bringschuld, sich zur Sozialpartnerschaft zu bekennen und Dinge zu tun, die auch uns helfen.“

Andreas Klose

Sucher bezeichnete die Chemie-Sozialpartnerschaft als Erfolgsmodell und sieht in ihr, im Vergleich zu anderen Branchen, ein Alleinstellungsmerkmal. Er wehrte sich gegen eine überbordende Bürokratie, auch bei Tarifverträgen. „Unsere Vereinbarungen tragen zwei Unterschriften“, konterte Schneele-Schultheiß. Wenn die Arbeitgeber ihre Personalabteilungen immer weiter reduzierten, gestalte sich die Umsetzung von Tarifverträgen vor Ort arbeitsintensiv. „Wir wollten keine Stichtagsregelungen“, adressierte sie an Sucher. „Für uns sind das unendliche Diskussionen in den Betrieben.“

Dass die Sozialpartnerschaft kein Automatismus ist, betonte Andreas Klose. „Das zeigen wir bereits“, verwies er auf Streiks beim Labordienstleister Synlab. Der Bezirksleiter warb auch dafür, nicht ständig alles schlechtzureden. „Sozialversicherung, Sozialhilfe, duale Ausbildung darum beneiden uns viele Länder. Wir brauchen wieder mehr Optimismus und den Blick auf das Positive in unserem Land!“