Menschen & Gemeinschaft

Betriebsausflug

Papierherstellung in Handarbeit: Willi Kus presst Wasser aus frisch geschöpften Seiten.

Faszination Papier

Text Gerd Schild – Fotos Marek Kruszewski

Papier hat eine jahrtausendealte Geschichte. In der Papierwelt in Dörpen gibt Willi Kus, 40 Jahre lang Papiermacher bei UPM Nordland Papier, mit zwei Kollegen Einblicke in die Faszination für das Material. Die Besucherinnen und Besucher nehmen viel Wissenswertes mit – und ihr eigenes Papier.

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Blick in die Papierwelt Dörpen.

Willi Kus taucht ein metallisches Sieb mit Holzrahmen in ein großes Holzfass. In einer fließenden Bewegung hebt er es wieder heraus, Wasser läuft prasselnd aus dem Sieb zurück ins Fass. Auf dem Sieb bleibt eine milchig weiße Schicht. Papier, geschöpft wie vor Jahrhunderten, als es noch eine Luxusware war. Heute ein Erlebnis in der Papierwelt im emsländischen Dörpen, direkt neben der größten Papierfabrik Europas, aus der auch das Papier für die gedruckte Ausgabe unseres Mitgliedermagazins Profil stammt.

Willi Kus, man übertreibt mit der Formulierung nicht, lebt für Papier. Kus, kurzes graues Haar, Schnauzbart, bunt kariertes Kurzarmhemd, kann den ganzen Tag über Papier erzählen, und er tut es auch. Der 72-Jährige ist die gute Seele der Papierwelt in Dörpen. Praktisch zeitgleich mit seinem Ausscheiden bei UPM im Jahr 2010 fing Kus im Vorläufer der Papierwelt an, einem Papiermuseum im Ortskern von Dörpen. 2017 ist er mit umgezogen in die neue Papierwelt direkt neben dem Werk. Mit zwei anderen ehemaligen Papierwerkern zeigt er das Papiermachen.

Willi Kus zeigt sein Handwerk

Kunstwerke für alle

Auf knapp hundert Quadratmetern gibt es hier Beispiele, was man heute alles aus Papier machen kann. Dazu gibt es alte Maschinen, historische Wasserzeichen und allerlei interessante Details darüber, wie aus dem Papier ein Massenprodukt wurde. Und dann geht es meist direkt in den hinteren Teil, zum kleinen Whiskyfass aus Holz, das heute als Bütte dient, als Wanne, aus der Papier geschöpft werden kann.

Von dem Besuch der Papierwelt nimmt jede und jeder etwas mit. Wissen über Papier von früher bis heute, und auch das eigene Papier. Sind die Gruppen sehr groß, teilt man sich auf: Eine Gruppe beginnt mit dem Papier, die andere beginnt damit, ein Bild in eine Styroporplatte zu ritzen, die dann mit Farbe bestrichen und auf Papier gedruckt wird. Viele Gruppen gehen nach dem Besuch bei Willi Kus noch in die Papierfabrik nebenan und lassen sich bei einem Rundgang zeigen, wie moderne Papierherstellung funktioniert. UPM Nordland in Dörpen ist Europas größter Hersteller von Fein- und Spezialpapieren, die als Kataloge, Flyer, Poster oder Magazine wie die Profil bedruckt werden.

Kus wurde in Jülich im Rheinland geboren. Daher hat er die weltumarmende Fröhlichkeit, wie er sagt. Mit dem Vater zog es die Familie Anfang der 1970er-Jahre ins Emsland. Der Vater war Meister in einer Papierfabrik und auf der Suche nach einer neuen Anstellung. Er kam zu Nordland Papier, 1967 in Dörpen ­gegründet.

„Das erste Mal in einer Pa­pier­fa­brik? Da war ich drei Tage alt“, erzählt Kus. Der Vater war in seiner Zwölf-Stunden-Schicht, die Mutter brachte das Essen, der Neugeborene kam mit. Da muss es ihn gepackt haben, sagt Kus. Die Maschinen, die Geräusche, dieses Magische, wenn aus klein gemahlenem Holz und Wasser weißes Papier wird. Mit 17 begann Kus in der Papierfabrik, machte später seinen Meister und blieb mehr als 40 Jahre im Werk. Ruhestand, das ist kein Wort, das auf Willi Kus passen würde. Seit 14 Jahren, damals war er 58, ist der Papiermachermeister nicht mehr in Vollzeit bei UPM Nordland Papier beschäftigt. In die Papierwelt kommt er trotzdem fast jeden Tag.

Schritt für Schritt: Papier mit IGBCE-Wasserzeichen

Los geht die Papierherstellung mit einem Wasser-Faser-Gemisch. Wer buntes Papier mag, gibt Farbe hinzu.

Für das Schöpfen braucht man eine ruhige Hand – sonst setzen sich die Fasern auf dem Sieb ungleichmäßig ab.

In der Werkstatt, dem Herzen der Papierwelt: Willi Kus überprüft die Qualität des frisch geschöpften Papiers.

Viel Handarbeit: Willi Kus hat mit Kupferdraht den Schriftzug für das IGBCE-Wasserzeichen im Sieb befestigt.

Nur bedingt schreibbereit: Die noch nassen Papiere werden zwischen Bierdeckel-Pappen gelegt.

Wasser marsch! Mit altem Gerät presst Willi Kus viel Wasser aus den handgeschöpften Papieren.

Noch sind die Papiere nass aber das IGBCE-Logo ist gut zu erkennen, Ehrensache für Gewerkschafter Kus.

Mehr als 50 Jahre Erfahrung hat Willi Kus – die Vorlagen für die Wasserzeichen stellt er selbst aus Draht her.

Auch nach dem Pressen ist das Papier noch feucht – am besten trocknet es direkt an der Luft.

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Papier aus Stroh und Spargel

In einer Ecke greift Kus einen Haufen Papiere. Die hat er alle selbst geschöpft woraus, das lässt er die Besucherinnen und Besucher raten. Und die haben es dann gar nicht so leicht. Auf Stroh als Rohstoff kommt man vielleicht noch bei einem gelb leuchtenden Stück Papier. Aber Kus kann auch Schreibpapier aus Spargelschale herstellen, sechs Stunden abgekocht. Oder aus dem Pferdemist der drei Tiere seiner Schwiegertochter. Oder aus den Rasenresten, die er beim Reinigen des Rasenmähers aufgesammelt hat. „Alles, was Fasern hat, kann man zu Papier machen“, sagt Kus. Und dann zeigt er ein weiteres Blatt. „Das habe ich viele Jahre gestreichelt“, sagt er und schaut schmunzelnd in die Runde. Dann fügt er an, man solle sich mal keine Sorgen machen, das habe er nicht aus der Familienkatze gemacht, sondern aus dem Bademantel ­seiner Frau.

Kus erzählt gern. Aber er kann auch auf die Gäste eingehen. Für Menschen im Rollstuhl hat er extra einen Arbeitsplatz gebaut, an dem diese auch im Sitzen Papier schöpfen können. Wenn Kinder kommen, gerade die stillen Typen, und irgendwann mitmachen, auftauen, dann, sagt Willi Kus, „geht mein Herz auf“. Wenn Schulen anfragen, schickt UPM seinen Rentner im Unruhestand auch mal eine Woche am Stück zu den Schülerinnen und Schülern. Stunde um Stunde schöpft er mit ihnen und bringt ihnen das Papier näher. Und wer weiß, sagt Kus, vielleicht begeistert er ja manche von ihnen für ein Praktikum oder sogar eine Ausbildung bei UPM.

Papier lässt sich auch aus Gras, Stroh oder Spargelschale machen.

Sieb in die Bütte, herausheben, abtropfen – erste Schritte zum Papier.

Überlebensgeschichte auf Papier aus einer Bluse

Kus hat ein paar Lieblingsgeschichten, mit denen er zeigen will, dass die Liebe zum Papier ansteckend ist. Die erzählt er, als er am Holländer lehnt, einer Maschine, die aus Lumpen Faserbrei macht lange Zeit war das der Ausgangsstoff für Papier. Da war die Frau mit der himmelblauen Bluse, die sie getragen hatte, als sie in einer Wüste in den USA mit dem Heißluftballon abstürzte und im Nirgendwo drei Tage auf Hilfe warten musste. Aus der Bluse machte sie, mithilfe von Willi Kus, ein kleines, blaues Heft – und schrieb darin das erste Mal die Geschichte ihres ­Überlebens auf.

Wasserzeichen machen das handgeschöpfte Papier noch exklusiver. Willi Kus hat mehrere Vorlagen etwa Löwe, Elefant oder Hexe. Für die IGBCE hat Willi Kus extra aus Kupferdraht einen IGBCE-Schriftzug gebogen und ihn mit Drahtstückchen am Metallsieb festgemacht Ehrensache für den Mann, der sein ganzes Berufsleben Gewerkschafter war und immer noch ist. Als er nun das Sieb in die Bütte tunkt und wieder herausholt, bleiben auf dem vom Draht bedeckten Teil des Siebs weniger Fasern zurück. Später wird man hier das Wasserzeichen sehen.

Man kann sich gut vorstellen, dass die Geschichten, die Willi Kus erzählt, bei jeder Altersgruppe gut ankommen. Die Geschichten von früher, als es einen ganzen Haufen Menschen in einer Papiermühle für die damals 33 Arbeitsschritte vom Anliefern der Lumpen bis zum fertig gebügelten Papier brauchte und jede Menge Zeit zum Trocknen. Oder über die Materialien, die benötigt wurden, etwa den Leim aus den gekochten Knochen von Ziegen und Schafen, mit dem das Papier tintenfest wurde. Vor allem aber steigt man hier ein in echte Handarbeit, schafft mit zum Teil jahrhundertealter Technik zeitlos schönes Papier – und das alles mit einem Sieb und einem Fass voll weißer Brühe. „Das fasziniert eigentlich jeden“, sagt Willi Kus.

Guide: Papierwelt Dörpen

Schifffahrtsmuseum Haren
Weitere Information unter der Karte.

Hotelempfehlung
Neudörpener Straße 48–52
26892 Dörpen
DZ ab 99 Euro mit Frühstück
www.hotelborchers.de

Hotelempfehlung
Emsländer Hof
Heeder Straße 65
26892 Dörpen
DZ ab 78 Euro,
Frühstück 10 Euro pro Person extra
emslaenderhof.de

Gastronomie
Kannelloni
Italienische und mediterrane Spezialitäten
in familiär-stilvollem Ambiente.
www.kannelloni.de

Gastronomie
Restaurant De Boshoeve
Französische Spezialitäten in tollem
Gastraum direkt hinter der nahen
niederländischen Grenze.
www.restaurantdeboshoeve.nl

Papierwelt Dörpen
Nordlandallee 1
26892 Dörpen
Anmeldung: Tel.: 04963 4012107
E-Mail: anke.hegemann@upm.com
www.upmpaper.com

Schloss Clemenswerth
Ein barockes Jagdschloss, erbaut im 18. Jahrhundert von Clemens August von Bayern. Das Schloss beeindruckt mit seiner sternförmigen Anlage und ist von weitläufigen Parkanlagen umgeben, die zu Spaziergängen einladen.
www.clemenswerth.de

Schifffahrtsmuseum Haren
Dieses Museum bietet einen faszinierenden Einblick in die Geschichte der Schifffahrt auf den Flüssen und Kanälen des Emslandes. Besucherinnen und Besucher können historische Schiffe besichtigen, interaktive Ausstellungen erkunden und mehr über die Bedeutung der Schifffahrt für die Region erfahren.

Wandern mit Moorblick
Das Bourtanger Moor bietet reizvolle Wanderwege, bei Hebel um den Dankernsee (4 km) oder bis Wesuwe (19 km) sowie entlang der Ems bei Haren (4 km).
www.naturpark-moor.eu