Vor Ort

Westfalen

Chance auf Mitbestimmung

Text Leo Kölzer

Warum eine Beteiligung an der Sozialwahl 2023 so wichtig ist, erklären ein Ehemaliger und eine angehende Versichertenberaterin.

Foto: privat

Mit mehr als 52 Millionen Wahlberechtigten ist sie nach der Europa- und der Bundestagswahl die drittgrößte Wahl in Deutschland. Und doch wissen nur die wenigsten, worum es dabei eigentlich geht. Die Rede ist von der Sozialwahl. Entsprechend niedrig war die Wahlbeteiligung bei der letzten Sozialwahl im Jahr 2017: Damals nutzten lediglich rund 30 Prozent der Wahlberechtigten ihr Stimmrecht. „Durch die Sozialwahlen bekommen die Versicherten eine Stimme. Es ist vielen nicht klar, aber damit werden eine jede und ein jeder, die oder der gewählt wird, zu den Gestalter*innen seiner und ihrer Versicherung“, erklärt Jürgen Sunderwerth.

Der 83-Jährige muss es wissen. Er war 35 Jahre lang als Versichertenberater aktiv. In diesem Jahr tritt er nicht mehr zur Wahl an. „Jede*r sollte wissen, dass sich die Versicherten im Fall des Falles an ihre Vertreter*innen im Verwaltungsrat oder gar in einem der Widerspruchsausschüsse wenden können“, betont der ehemalige Kumpel. „Wer wählen geht, stärkt damit auch die Rolle des Ehrenamts. Das war mir 1988 schon wichtig und ist es heute auch noch.“

In all den Jahren hat Jürgen Sunderwerth etlichen Menschen zu ihrer verdienten Rente verholfen, hat sie bei Problemen mit Bescheiden unterstützt. Im Schnitt seien es fünf Termine pro Woche gewesen. Zum Ende habe er nicht mehr als drei Beratungen pro Woche gemacht. Und wozu das Ganze? „Weil helfen guttut“, ist Sunderwerth überzeugt. „Das ist der Grund, warum ich niemals, nicht eine Sekunde an meinem Engagement gezweifelt habe.“ Und wem das als Motivation nicht ausreiche, der*die solle das Ehrenamt pragmatischer sehen: „Es gibt eben einfach Dinge, die im Sinne der Gesellschaft gemacht werden müssen“, bringt es Sunderwerth auf den Punkt. Dazu gehöre auch die Versichertenberatung. Auf die Frage, was eine*n gute*n Versichertenberater*in auszeichne, antwortet Sunderwerth wie aus der Pistole geschossen: „Zuhören, empathisch sein und Einfühlungsvermögen beweisen.“ Gerade bei Beratungen, in denen sich eine Frau nach dem Verlust ihres Mannes zu ihrer Rente beraten lasse, der sogenannten Witwenberatung, sei das unabdingbar.

Wählen stärkt das Ehrenamt.

Jürgen Sunderwerth,
ehemaliger Versichertenberater

Nur die Digitalisierung war für den ehemaligen Versichertenberater nichts mehr. Denn obwohl die Anträge heute digital ausgefüllt und übermittelt werden können, hat Jürgen Sunderwerth lieber zum Kugelschreiber gegriffen. „Ich habe meine Anträge bis zu zum Letzten handschriftlich ausgefüllt und hatte immer das Gefühl, dass die Sachbearbeiter*innen sich darüber freuen.“

Kerstin Murza arbeitet in Teilzeit als Schwimm- und Fitnesstrainerin. Sie hat sich in diesem Jahr zum ersten Mal als Kandidatin für die Sozialwahl aufstellen lassen. Über ihren Mann ist sie zur Ortsgruppe Datteln/Waltrop und zur IGBCE gekommen. Gemeinsam mit ihren vier Kindern lebt die Familie in Datteln. „Ich stelle mich zur Wahl, weil ich von diesem Ehrenamt überzeugt bin“, erklärt die 53-Jährige. „Und weil ich möchte, dass wir unsere Mitbestimmungsrechte in Deutschland überall da ausnutzen, wo es sie gibt.“

Sie habe manchmal das Gefühl, dass sich einige Menschen nicht klar darüber seien, was für ein Privileg die deutsche Mitbestimmung ist. „Mit meinem Engagement bei den Sozialwahlen geht’s mir auch darum, eine Männerdomäne aufzubrechen.“ Als Frau Frauen zu beraten könne in den Gesprächen von Vorteil sein und das Vertrauen fördern, ist Murza überzeugt. „Wir müssen aber nicht nur weiblicher, sondern auch jünger werden.“ Schlussendlich gehe es allerdings um die bestmögliche Beratung aller Kolleg*innen – „und dafür steht die IGBCE und stehen wir in den Ortsgruppen“.

Wir müssen jünger werden.

Kerstin Murza,
angehende Versichertenberaterin

Der Landesbezirk Westfalen ruft jede*n dazu auf, zu wählen und sich nach Möglichkeit selbst zur Wahl zu stellen. „Auch bei den Sozialwahlen brauchen wir mehr Vielfalt bei Personen und Blickpunkten“, sagt IGBCE-Sekretär Jörg Esser. „Neben unseren erfahrenen Kolleg*innen wollen wir deshalb insbesondere junge Ehrenamtliche und Frauen aus dem aktiven Berufsleben motivieren, zu kandidieren.“ Bei In­te­res­se oder Fragen gern direkt beim jeweiligen Bezirk melden.