Vor Ort

Nordost

Mile widziany

Text Karin Aigner - Fotos (2) IGBCE Lausitz/privat

Sie spricht ihre Sprache und hat das Herz auf dem rechten Fleck: Roksana Müller setzt sich für ihre polnischen Landsleute ein.

Roksana Müller spricht mit Tobias Schick, Oberbürgermeister von Cottbus.

Mit Informationen für polnische Beschäftigte.

Ein Morgen in Fürstenwalde: Vor den Toren von Good-year beginnt bald die erste Schicht. Der Parkplatz füllt sich langsam. Auch ein Auto mit polnischem Kennzeichen parkt und drei junge Männer steigen aus. Sie sind Pendler und täglich mehr als eine Stunde unterwegs. Mit einem freundlichen Lächeln begrüßt sie die Frau mit der roten Jacke: „Mile widziany.“ Das heißt „willkommen“.

Leicht erstaunt, aber sehr erfreut lächeln die drei Männer zurück. So freundlich hat sie hier noch nie jemand begrüßt. Das weiß Projektsekretärin Roksana Müller: „Die meisten freuen sich, dass endlich jemand mit ihnen spricht.“ Es ist die Voraussetzung für ein zweijähriges Projekt des Bezirks Lausitz, um polnische Beschäftigte als Mitglieder zu gewinnen. Anfang des Jahres ist es gestartet. „Es gibt viele Fragen zu klären, die sich aus den kulturellen Unterschieden ergeben“, berichtet Roksana Müller. Außerdem ist natürlich die sprachliche Verständigung mit den deutschen Kolleg*innen ein Problem. Kurioserweise wird oft kritisiert, dass die Grenzgänger*innen kein Deutsch sprechen – was für den Arbeitgeber bei der Einstellung aber kein Ausschlusskriterium war. Die Qualifikation war entscheidend.

Diplomatisch versucht Roksana Müller dem deutschen und dem polnischen Betriebsrat dolmetschend klarzumachen, dass sie in einem Boot sitzen. „Beide Seiten müssen Verständnis und Respekt zeigen“, sagt sie. Was sie verbindet, sind der Strukturwandel und der Umstand, dass die mit ihm entstandenen neuen Arbeitsplätze besetzt werden sollen. Die Frage „Woher bekommen wir die Leute?“ will schnell beantwortet werden. Und ohne polnische Mitarbeiter*innen würde es da in vielen Firmen sicherlich nicht so gut laufen.

Roksana Müller, geboren im polnischen Riesengebirge, lebt seit über 25 Jahren in Deutschland und weiß genau, wie es sich anfühlt, fremd zu sein. Sie hat damals Sprachkurse gemacht, Anzeigenblätter gelesen, deutsche Schlager gehört, und das dicke Langenscheidt-Wörterbuch war ihr treuer Begleiter. Heute ist sie längst angekommen und lebt mit Mann und Pflegesohn in Cottbus.
Was das Schönste an ihrer Überzeugungsarbeit ist? „Wenn es ‚klick‘ macht und mein Gegenüber versteht, dass Arbeitszeit, Tarife, Urlaubszeit und Co., nicht selbstverständlich sind, sondern von der Gewerkschaft und dem Betriebsrat hart erkämpft wurden. Oder dass Alleingänge nicht zielführend sind!“

Zuletzt war Roksana Müller unter anderem bei Kolleg*innen in Schwedt, Zittau und Bautzen im Betrieb und verteilte die in polnischer Sprache gedruckten Gewerkschaftsflyer. Die kommen gut an. Viele ihrer polnischen Landsleute wissen es bereits zu schätzen, wenn sie ihnen beim Übersetzen von Verträgen oder Briefen an den Arbeitgeber hilft.

Die Projektsekretärin ist zuversichtlich, dass die Mitgliedergewinnung erfolgreich sein wird. Viele ihrer deutschen Kolleg*innen unterstützen sie dabei. Schließlich gibt es das Wort „Kumpel“ auch auf Polnisch und es bedeutet genau wie auf Deutsch: Freund. Darauf lässt sich aufbauen.