Zukunft wählen!
Am 8. Oktober ist in Hessen Landtagswahl. IGBCE und DGB fordern eine Strategie für die Industrie, unter anderem einen Brückenstrompreis.
Hessen ist ein Industriestandort. Unternehmen wie Merck, Fresenius, BioNtech, Goodyear, B.Braun, K+S und viele weitere tragen rund ein Fünftel zur Bruttowertschöpfung im Land bei. Mehr als eine halbe Million Menschen arbeiteten im Jahr 2019 in der Industrie. Die Branche mit den meisten Beschäftigten ist die Chemie- und Pharmaindustrie; über 60.000 Menschen arbeiten in ihren Betrieben. Doch die Unternehmen sind unter Druck. Die Transformation, insbesondere die Digitalisierung und der Wandel zu einer klimaneutralen Wirtschaft, belastet die Industrie. Hinzu kommen die Auswirkungen der Corona-Pandemie und des Ukraine-Kriegs.
Industrie braucht Verlässlichkeit. Dazu gehört die Verfügbarkeit von gut ausgebildeten, motivierten Fachkräften. Eine verlässliche Infrastruktur. Und die sichere Versorgung mit Energie zu einem wettbewerbsfähigen Preis. Der DGB Hessen-Thüringen hat in Zusammenarbeit mit den Mitgliedsgewerkschaften eine Reihe von Forderungen an die künftige hessische Landesregierung aufgestellt (siehe Interview mit Michael Rudolph unten). Dabei geht es darum, die Transformation sozial, ökologisch und demokratisch zu gestalten. Zu den Forderungen gehört etwa ein Transformationsfonds, über den Investitionen in eine klimaneutrale Infrastruktur finanziert werden sollen und die Förderung der Aus- und Weiterbildung.
Ein Brückenstrompreis ist unverzichtbar
Matthias Jahn,
Betriebsratsvorsitzender bei InfraServ
Eine der wichtigsten Forderungen ist die Einführung eines Brückenstrompreises für die Industrie. Zentral ist für IGBCE und DGB, dass der Brückenstrompreis nur tarifgebundenen Betrieben zugute kommt, die sich zum klimaneutralen Umbau der Produktion und dem Erhalt der Arbeitsplätze an ihrem Standort verpflichten.
Überlebenswichtig ist das beispielsweise für die Industrieparks Kalle-Albert in Wiesbaden und Höchst in Frankfurt. „Ein Brückenstrompreis ist unverzichtbar“, sagt Matthias Jahn, Betriebsratsvorsitzender bei InfraServ Höchst. „Sonst können wir keine wettbewerbsfähigen Strompreise anbieten.“ Die InfraServ betreibt einen Kraftwerkspark, der Strom und Wasserdampf für den Industriepark liefert. Ähnlich sieht das Stefan Haybach, Betriebsratsvorsitzender bei InfraServ Wiesbaden: „Die Betriebe müssen wissen, wo sie stehen. Ohne Brückenstrompreis haben sie keine Planungssicherheit. Und dann investieren sie nicht in den Standort.“ Genau diese Investitionen sind aber notwendig, um den Prozess der Dekarbonisierung voranzutreiben. „Wir haben dafür richtig gute Pläne“, sagt Haybach.
Pläne, die wichtig sind für Hessen. Denn nur, wenn der Industrie der Wandel gelingt, bleiben die Industriearbeitsplätze im Land langfristig erhalten. Dass es dazu kommt, und dass sie den Kriterien guter Arbeit entsprechen, dafür braucht es die Unterstützung durch die Politik – und die Wähler, die am 8. Oktober entscheiden, wer Hessen künftig regiert.
4 Fragen an …
Michael Rudolph
Der Vorsitzende des DGB-Bezirks Hessen-Thüringen zu den Forderungen zur Landtagswahl in Hessen.
Wie bewertest du die industriepolitische Strategie der Landesregierung?
Die hessische Landesregierung hat keine industriepolitische Strategie. Und vor allem ist sie dadurch aufgefallen, dass sie in der Wirtschaftspolitik keine sozialen Akzente gesetzt hat. Auf unsere Initiative hat der Wirtschaftsminister einen Industrie-Trialog ins Leben gerufen. Dort haben wir vorgeschlagen, zunächst eine industriepolitische Strategie zu diskutieren, auf deren Basis wir dann weiter hätten arbeiten können. Das hat nicht geklappt. Dabei geht die Zahl der Industriearbeitsplätze schon seit 2018 zurück. Aus unserer Sicht ist es dringend notwendig, dass sich die Landesregierung dazu bekennt, dass Hessen ein Industriestandort ist und eine Strategie entwickelt, wie dieser in den kommenden Jahren nachhaltig weiterentwickelt werden kann.
Welche zentralen Forderungen hat der DGB an die künftige Landesregierung?
Wir erwarten, dass sie entlang einer industriepolitischen Strategie die Beschäftigung in der Industrie nachhaltig sichert. Das kann sie nur, wenn sie ausreichend Mittel in die Hand nimmt: für die notwendigen Investitionen in erneuerbare Energien, in eine Wasserstoffstrategie zur Dekarbonisierung der Industrie und auch in die Weiterbildung. Andere Bundesländer wie das Saarland und Niedersachsen tun das schon lange und haben einen Transformationsfonds eingerichtet, um notwendige Zukunftsinvestitionen zu finanzieren. Die Dekarbonisierung muss mit der Sicherung und Schaffung guter, tarifgebundener und mitbestimmter Arbeit verbunden werden.
Wo siehst du dringendsten Handlungsbedarf?
Klar ist, dass der Wandel der Industrie Zeit braucht. Insbesondere auch die Umstellung auf erneuerbare Energien. Zurzeit ist der Marktstrompreis für die Industrie zu hoch. Langfristig wird er durch den Ausbau der regenerativen Energien wieder sinken. Bis dahin brauchen wir einen Industriestrompreis, der sicherstellt, dass die Betriebe international wettbewerbsfähig sind. Nur so können wir dafür sorgen, dass die Arbeitsplätze in der Industrie erhalten bleiben.
Stichwort Industriestrompreis: An welche Bedingungen sollte der geknüpft sein?
Ein Industriestrompreis sollte – wie auch ein Transformationsfonds – an die Kriterien guter Arbeit gebunden sein. Wir wollen nicht das „weiter so“ fördern, sondern die Umstellung zu ökologisch nachhaltiger und guter Arbeit. Wer Fördermittel haben will, muss den Erhalt des Standorts garantieren und in Form einer Vereinbarung versichern, dass er ein Konzept für die Zukunftssicherung der Arbeitsplätze hat. Und – das ist aus unserer Sicht sehr wichtig – dann auch Tariflöhne zahlen.
Mehr zu den Forderungen des DGB zu den Landtagswahlen:
hessen-thueringen.dgb.de/landtagswahl-hessen