Praxis & Wissen

Ratgeber Arbeit

Genug ist genug!

Text Katrin Schreiter – Illustration Karolina Zolubak

Viele Arbeitnehmende wünschen sich, früher aus dem Job auszusteigen. Doch um vorzeitig in Rente gehen zu können, müssen sie bestimmte Voraus­setzungen erfüllen. Rentenexperte Ulf Imiela erklärt, wie es klappen kann.

Artikel vorlesen lassen

Zu Beginn ein Blick auf die Statistik: Nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung (DRV) gingen im Jahr 2022 in Deutschland rund 1.039.000 Menschen in Rente, im Durchschnitt waren sie dabei 64,4 Jahre alt. Für einen regulären Renteneintritt müssen Versicherte ab dem Geburtsjahrgang 1964 mittlerweile sogar bis zum 67. Geburtstag arbeiten. Um früher in den ­Ruhestand gehen zu können, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Rentenexperte Ulf Imiela, der unter anderem für die BWS, den Bildungsträger der IGBCE, Seminare veranstaltet, erklärt mögliche Wege.

Die Rente mit 63 beschreibt zwei verschiedene Altersrenten, die bereits vor Erreichen des regulären Rentenalters bezogen werden können: die „Altersrente für langjährig Versicherte“ und die „Altersrente für besonders langjährig Versicherte“. Die Bezeichnungen klingen ähnlich, die Unterschiede sind aber groß:

Altersrente für langjährig Versicherte

Wer die Mindestversicherungszeit von 35 Jahren erfüllt, kann bereits vor Erreichen des regulären Rentenalters eine „Altersrente für langjährig Versicherte“ erhalten. Frühestmöglich kann diese Rente mit 63 Jahren in Anspruch genommen werden.

Wichtig zu wissen: „Dafür gibt es einen Abschlag auf die bis dahin erreichte Rente“, sagt Imiela und erklärt: „Für jeden Monat, den die Rente vor Erreichen des regulären Rentenalters beginnt, werden 0,3 Prozent von der Rente abgezogen, maximal 14,4 Prozent (ab Jahrgang 1964). Dieser Abschlag bleibt dauerhaft bestehen, auch nach Erreichen des regulären Rentenalters.“

Altersrente für besonders langjährig Versicherte

Bei diesem Modell konnten alle vor 1951 Geborenen nach einer Versicherungszeit von 45 Jahren ohne Abschläge mit 63 Jahren in Rente gehen. Ab dem Geburtsjahrgang 1952 wird das Rentenalter aber nun auch für diese Rentenart schrittweise angehoben. Aktuell beträgt das Eintrittsalter – beispielsweise für den Geburtsjahrgang 1959 – 64 Jahre und zwei Monate.

Wichtig: „Bei der Versicherungszeit handelt es sich jeweils um Pflichtversicherungsbeitragsjahre“, sagt Imiela. „Hier zählt – bis auf wenige Ausnahmen nur die Zeit, die man gearbeitet und dabei tatsächlich auch Sozialbeiträge gezahlt hat.“ Nicht berücksichtigt werden Zeiten, in denen Arbeitslosengeld II bezogen wurde, Zeiten aus einem Versorgungsausgleich sowie aus einem Rentensplitting unter Eheleuten oder bei eingetragenen Lebenspartnerschaften.

Altersrente für schwerbehinderte Menschen

Für Menschen mit einer Schwerbehinderung mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 Prozent gelten besondere Regeln. Sie können zwei Jahre früher in Rente gehen, ohne dass dabei Rentenabzüge anfallen. Allerdings muss eine Versicherungszeit von 35 Jahren erfüllt sein. Nehmen Schwerbehinderte Abschläge in Kauf, können sie sich bis zu fünf Jahre vor der allgemeinen Regelaltersgrenze zur Ruhe setzen.

Wer früher in Rente gehen, aber keine Abzüge hinnehmen will, kann sich mit freiwilligen Sonderzahlungen Rentenpunkte kaufen.

Einbußen bei vorzeitigem Renteneintritt kompensieren

„Wer mindestens 50 Jahre alt ist, darf freiwillig in sein Rentenkonto investieren – sich also Rentenpunkte kaufen“, sagt der Fachmann. „Außerdem muss man eine realistische Chance haben, die 35 Beitragsjahre zu erreichen, die für die vorgezogene Rente ab 63 Voraussetzung sind.“

Die Anzahl der Rentenpunkte bestimmt, wie viel Geld man im Ruhestand bekommt. Denn jeder Rentenpunkt steht für einen monatlichen Betrag – der liegt seit dem 1. Juli 2023 bundeseinheitlich bei 37,60 Euro – der als Rente ausgezahlt wird. Das bedeutet, je mehr Rentenpunkte man hat, desto mehr Rente bekommt man.

„Wer früher in Rente gehen, aber keine Abzüge hinnehmen will, kann sich mit freiwilligen Sonderzahlungen Rentenpunkte kaufen“, weiß Imiela. „Beteiligt sich der Arbeitgeber an den Kosten, etwa im Rahmen eines Auflösungsvertrages oder Sozialplanes, kann sich das rechnen.“ Der Preis für einen gekauften Rentenpunkt beträgt seit Juli 2023 exakt 9.374 Euro.

Alternative Altersteilzeit

Eine weitere Möglichkeit, um eher aus dem Job auszusteigen, ist die Altersteilzeit. „Hier handelt es sich nicht um eine vorgezogene Altersrente, sondern um einen gleitenden Übergang vom Job in den Ruhestand“, erklärt Imiela. „Einen rechtlichen Anspruch darauf gibt es allerdings nicht – bei diesem Modell muss der Arbeitgeber mitspielen. Frühestens begonnen werden kann die Altersteilzeit nach Erreichen des 55. Lebensjahres.“

Interessant sei hier vor allem das Blockmodell, so der Experte. „Dabei reduzieren die Beschäftigten zum Beispiel für vier Jahre ihre Arbeitszeit, arbeiten in den ersten zwei Jahren voll und in den folgenden zwei Jahren gar nicht mehr. Das Teilzeitgehalt fällt aber in beiden Blöcken gleich hoch aus.“

Foto: Stefan Koch

Zusätzliche Rente vom Arbeitgeber

Nils Hindersmann, seit 1. September Leiter der Abteilung Politik und Internationales bei der IGBCE und bisher zuständig für Sozialpolitik, sieht demnächst einige Änderungen in Sachen Rente auf die Arbeitnehmenden zukommen: „Die Bundesregierung schnürt ein neues Rentenpaket. Geplant ist einiges, sicher ist aber nichts.“

„Für Mitglieder der IGBCE gibt es verschiedene Möglichkeiten, sich finanziell für den Ruhestand – ob vorgezogenen oder nicht – zu polstern.“ So sei die betriebliche Altersvorsorge in Tarifverträgen ein fester Baustein, erklärt Hindersmann und rät Beschäftigten, zu prüfen, ob der Arbeitgeber seinen Teil beiträgt. „Das betrifft vor allem Beschäftigte, die neu im Unternehmen sind. Denn auch wenn die betriebliche Altersvorsorge im Tarifvertrag verankert ist, wird sie häufig nicht automatisch gezahlt.“

Unabhängig vom Tarifvertrag seien Arbeitgeber verpflichtet, ihren Beschäftigten eine betriebliche Altersvorsorge anzubieten. „Man spricht hier von der Entgeltumwandlung“, erklärt Hindersmann. „Dabei zahlen Beschäftigte Teile ihres Bruttogehalts in eine Pensionskasse, einen Pensionsfonds oder eine Direktversicherung ein.“ Der entscheidende Vorteil: „Wer Bruttogehalt umwandelt, spart Sozialversicherungsbeiträge“, so Hindersmann.

Die Arbeitgeber sind verpflichtet, die eingesparten Sozialversicherungsbeiträge (15 Prozent) in die betriebliche Altersvorsorge einzuzahlen. Damit sich die Sache lohnt, sollte der Chef den Beitrag jedoch mit mindestens 20 Prozent bezuschussen.