Praxis & Wissen

Ratgeber Arbeit

Gesund arbeiten

Text Katrin Schreiter – Illustration Karolina Zolubak

Jeder Arbeitgeber trägt Verantwortung für seine Beschäftigten. Er muss alles dafür tun, dass sie gefahrlos arbeiten können. Doch wie weit reicht die Fürsorgepflicht und wo ist sie geregelt? Profil erklärt die Details.

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An der Glaswanne, bei der Werksfeuerwehr oder im Chemielabor? Klar, an diesen Arbeitsplätzen kann es schon mal gefährlich werden. Doch auch andere Tätigkeiten können der Gesundheit schaden. Das Gute: Egal, in welchem Beruf Beschäftigte arbeiten und welche Gefahren die Sicherheit im Job beeinträchtigen der Arbeitgeber hat eine Fürsorgepflicht für die Gesundheit seiner Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Er hat dafür Sorge zu tragen, dass Beschäftigte bei der Ausführung ihrer vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung sowohl körperlich unversehrt als auch von psychischen Belastungen oder Schäden verschont ­bleiben.

Mit der Unterschrift unter dem Arbeitsvertrag ergeben sich für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sogenannte Leistungs- und Verhaltenspflichten. Das heißt: Der Arbeitgeber kann sowohl deine Aufgaben als auch die betriebliche Organisation bestimmen. Im Gegenzug muss er auf deine Rechte, Rechtsgüter und Interessen Rücksicht nehmen und das Arbeitsverhältnis sozial gestalten das ist seine Fürsorgepflicht.

Fester Bestandteil des Arbeitsvertrages

„Diese Verpflichtung kann nicht durch einen Arbeitsvertrag oder eine Betriebsvereinbarung aufgehoben oder eingeschränkt werden entsprechende Regelungen wären ungültig“, erklärt Peter Voigt, Leiter der Abteilung Justiziariat/Rechtspolitik/Rechtsschutz bei der IGBCE. Das heißt: „Es ist nicht möglich, die Fürsorgepflicht arbeitsvertraglich auszuschließen. Sie ist zwingender Bestandteil von Arbeitsvertrag und ­Arbeitsverhältnis.

Wie die Fürsorgepflicht konkret umgesetzt werden muss, wird in zahlreichen weiteren Gesetzen konkretisiert zum Beispiel im Arbeitsschutzgesetz, im Arbeitssicherheitsgesetz, im Arbeitszeitgesetz, im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz sowie in untergeordneten technischen Regelwerken wie der Arbeitsstättenverordnung.

Diese Rechte haben Beschäftigte

Sie können gegenüber dem Arbeitgeber einen Anspruch auf Herstellung eines arbeitsschutz­konformen Zustands geltend machen (Erfüllungsanspruch).

Sie können ihre Arbeitsleistung nach Paragraf 273 BGB zurückhalten, wenn der Arbeitgeber objektiv seine Fürsorgepflicht aus Paragraf 618 BGB verletzt – diese Maßnahme muss allerdings verhältnismäßig sein.

Auch ein Unterlassungsanspruch ist denkbar, wenn Beschäftigte durch Gefahrstoffe, Lärm und Strahlen beeinträchtigt werden.

Möglich sind ebenfalls Schadens­ersatz­ansprüche für Vermögensschäden, die durch die Verletzung der Fürsorgepflicht entstehen. Auch kann ein Anspruch auf Schmerzensgeld entstehen.

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Fürsorgepflicht in verschiedenen Bereichen

„Die allgemeine Fürsorgepflicht gliedert sich in Schutz-, Sorgfalts- und Auskunftspflichten“, sagt Vadim Lenuck. Der Fachsekretär in der Abteilung Sozialpolitik/Arbeits- und Gesundheitsschutz bei der IGBCE erklärt die ­Unterschiede:

Schutz- und Sorgfaltspflichten: Der Arbeitgeber muss Vorkehrungen treffen, die Leben und Gesundheit seiner Beschäftigten schützen. Das heißt: „Räume, Vorrichtungen und Geräte, die für die Arbeit benötigt werden, müssen vom Arbeitgeber so eingerichtet und unterhalten werden, dass die Beschäftigten vor Gefahren für Leib, Leben und Gesundheit so weit wie möglich geschützt sind. Auch Schutzkleidung wie Helme und Gehörschutz sowie ein ergonomischer Büroarbeitsplatz gehören dazu.“ Rechtsexperte Voigt ergänzt: „Auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben Schutz- und Sorgfaltspflichten so müssen sie arbeitsfähig zur Arbeit erscheinen und dürfen dabei nicht berauscht durch Alkohol oder ­Drogen sein.“

Auskunftspflichten: „Der Arbeitgeber muss unaufgefordert über alle Umstände informieren, die den Beschäftigten unbekannt sind, die aber wichtig sind, damit sie Entscheidungen treffen können, die ihre Arbeitsaufgaben betreffen“, so Lenuck. „Er ist also zur Aufklärung verpflichtet, wenn Gefahren für das Leistungs- oder ­Integritätsinteresse ­bestehen.“

Auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben Schutz- und Sorgfaltspflichten.

Peter Voigt,
Leiter der Abteilung Justiziariat/Rechtspolitik/Rechtsschutz

Gefährdungsbeurteilung als wichtige Basis

Der Arbeitsschutzexperte verweist auf die Gefährdungsbeurteilung. „Dabei geht es um eine gezielte Analyse der potenziellen Gefährdungen, Risiken und Gefahren, die von der Arbeitsstätte als Ganzes, aber auch von jedem einzelnen Arbeitsplatz oder der Tätigkeit ausgehen ­können.“

Für die Ableitung effektiver Schutzmaßnahmen müssen die Gefährdungen, Gefahren und Risiken für Leben und Gesundheit erkannt und benannt werden. Hilfreich dabei: das STOP-Prinzip, das die Rangfolge der Schutzmaßnahmen beschreibt. Die Buchstaben S, T, O und P stehen für jeweils verschiedene Möglichkeiten von ­Schutzmaßnahmen:

S – Substitution: Das bezieht sich auf den Ersatz gefährlicher Stoffe oder Verfahren durch weniger gefährliche Alternativen. So können potenzielle Gefahren von vornherein reduziert ­werden.

T – technische Schutzmaßnahmen: Dabei handelt es sich um technische Mittel, die den direkten Kontakt mit Gefahren minimieren können, zum Beispiel die Installation einer Abzugsanlage, um schädliche Dämpfe ­abzuleiten.

O – organisatorische Schutzmaßnahmen: Das sind strukturelle Änderungen in der Arbeitsorganisation, etwa durch regelmäßige Pausen, um zum Beispiel Fehlverhalten zu minimieren und so das Sicherheitsniveau zu ­erhöhen.

P – persönliche Schutzmaßnahmen: Wenn alle anderen Maßnahmen nicht ausreichend greifen, muss entsprechende persönliche Schutzausrüstung genutzt werden. Diese darf in der Regel nicht als „Dauermaßnahme“ angeordnet werden und ist immer nachrangig gegenüber den vorher ­genannten Schutzmaßnahmen umzusetzen.