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Tarifrunde Papier

„Es braucht dringend mehr Wertschätzung“

Die erste Runde der Tarifverhandlungen für die 46.000 Beschäftigten in der Papierindustrie ist ohne Ergebnis geblieben. IGBCE-Verhandlungsführer Frieder Weißenborn reagierte ernüchtert auf den Verlauf der ersten Gesprächsrunde mit dem Verband „Die Papierindustrie“ (DPI) in Wiesbaden. „Wir liegen noch sehr weit auseinander, die Arbeitgeberseite muss sich deutlich bewegen, bis wir zu einem Ergebnis kommen können“, sagte er.

Die IGBCE geht mit einem Forderungspaket aus drei Punkten in die Papier-Tarifrunde: Sie will für die Beschäftigten ein Entgeltplus von acht Prozent oder mindestens 280 Euro, einen Mitgliederbonus in Zeit oder Geld ausschließlich für IGBCE-Mitglieder sowie mehr Attraktivität für Schichtarbeit und andere Arbeitszeitmodelle erreichen.

„Die Beschäftigten haben in den zurückliegenden Jahren massive Reallohnverluste erlitten. Sie konnten ihre Preissteigerungen nicht einfach weiterreichen, wie es die Papierindustrie getan hat“, sagte IGBCE-Verhandlungsführer Frieder Weißenborn. „Die Belegschaften fordern eine Aufholjagd der Branche bei den Entgelten. Andernfalls droht sie am Arbeitsmarkt weiter an Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren.“

Die deutsche Papierindustrie mit ihren 46.000 Beschäftigten bundesweit ist Marktführer in Europa und der zweitgrößte Exporteur weltweit. Im ersten Halbjahr 2024 hat die Produktion um gut sieben Prozent zugelegt. Vor allem das Geschäft mit Papier und Pappe als Verpackungsmaterial und für technische Zwecke wuchs kräftig, während Hygiene- und grafische Papiere stagnierten.

IGBCE-Verhandlungsführer Frieder Weißenborn stellt die Forderungen vor.

Foto: Alexander Reupke

Mitgliederbonus gefordert

„Die differenzierte Lage der Industrie haben wir in die Forderung schon eingepreist“, machte Weißenborn klar. „Ich verbitte mir daher weiteres Wehklagen der Arbeitgeber.“ Dies wäre angesichts positiver Trends bei Kapazitätsauslastung und Produktivität ohnehin fehl am Platze. „Das Plus, das wir fordern, können die Betriebe also verkraften“, so der IGBCE-Verhandlungsführer. Die Bundestarifkommission hat die prozentuale Forderung bewusst um eine Untergrenze in Euro ergänzt. „Das gewährleistet, dass die Entgeltgruppen im Facharbeiterbereich definitiv abgesichert sind“, so Weißenborn.

Ein deutliches Entgeltplus sei zudem dringend notwendig, um die Attraktivität der Branche als Arbeitgeber zu erhöhen. „Es braucht dringend mehr Wertschätzung.“ Dies gelte besonders für diejenigen Beschäftigten, die sich gewerkschaftlich organisieren. „Sie sind es, die mit ihrem Engagement und ihren Mitgliedsbeiträgen Tarifverträge und Sozialpartnerschaft erst möglich machen“, sagte der IGBCE-Verhandlungsführer. Die Bundestarifkommission fordert deshalb einen Bonus in Zeit oder Geld, der ausschließlich Gewerkschaftsmitgliedern zugutekommt. Als dritten Forderungspunkt hat die Bundestarifkommission eine Erhöhung der Attraktivität von Schichtarbeit und anderen Arbeitszeitmodellen aufgenommen.

Die Tarifverhandlungen werden bundesweit zentral geführt und gehen am 8. Oktober in die zweite Runde. Schau regelmäßig auf die IGBCE-Webseite.

Symrise

Insgesamt zehn Prozent mehr

Eine Erhöhung der Entgelte in drei Stufen um insgesamt zehn Prozent und je einen freien Tag in den Jahren 2024, 2025 und 2026: Auf diese Zusagen einigte sich die IGBCE-Tarifkommission mit Symrise in der zweiten Verhandlungsrunde am 21. August. „Zusätzlich hat das Unternehmen mit der IGBCE eine Absichtserklärung formuliert, den finanziellen Abstand zwischen Haustarif Symrise und Flächentarif Chemie zu verringern“, so Jeannette Chiarlitti, Leiterin des Bezirks Südniedersachsen und Verhandlungsführerin. „Dies ist ein wichtiges Signal an die Beschäftigten, die Fläche anzuerkennen und die Unwuchten zwischen Haustarif und Fläche zukünftig zu beseitigen.“ Der Duft- und Aromaspezialist bezahlt bisher weit unterhalb des Flächentarifvertrages Chemie. Außerdem müssen die Beschäftigten im Vergleich 1,5 Stunden pro Woche länger arbeiten.

Der Einigung vorangegangen waren Tarifaktionen an den Standorten Holzminden, Braunschweig und Nördlingen, an denen sich rund 600 Beschäftigte beteiligt hatten. „Mit den Aktionen haben die Kolleginnen und Kollegen uns als Tarifkommission hundertprozentig unterstützt“, sagte der Betriebsratsvorsitzende Harald Feist nach der Einigung. Dieses Signal sei auf der Arbeitgeberseite angekommen und habe den Verhandlungen den entscheidenden Kick gegeben.

Unternehmen

der chemischen und der pharmazeutischen Industrie erhalten über die ­ZielrenteCHEMIE erstmals die Möglichkeit, ihren Beschäftigten über eine Pensionskasse eine moderne betriebliche Altersvorsorge in Form der reinen Beitragszusage anzubieten. Es ist das zweite Angebot auf Basis des 2022 im Tarifvertrag eingeführten Sozialpartnermodells Chemie. Für die Beschäftigten bringt die ­ZielrenteCHEMIE zahlreiche Chancen: Vor allem wegen der höheren Freiheitsgrade in der Kapitalanlage können sie eine höhere Rendite auf ihre Sparbeiträge und damit auch eine höhere Rentenleistung erwarten. Ein zusätzlicher Beitrag der Arbeitgeber erhöht die Sicherheit des Systems, denn der mit diesen Beiträgen geschaffene kollektive Sicherungspuffer dient zum Ausgleich möglicher Rentenschwankungen. Für Unternehmen ist dieses Sozialpartnermodell ein attraktiver Baustein im Wettbewerb um die besten Talente.

Continental

Spin-off möglich

Der Automobilzulieferer Continental überlegt, die seit Jahren schwächelnde Automotive-Sparte abzuspalten und separat an die Börse zu bringen. Wie der Konzern Anfang August mitteilte, werde „im Detail geprüft“, inwieweit ein sogenanntes Spin-off möglich ist. Eine endgültige Entscheidung über den Schritt sei für das vierte Quartal geplant. Der Automotive-Sektor ist der Unternehmensbereich, in dem das Geschäft mit Bremssystemen, Sensoren, Ersatzteilen und Software für autonomes Fahren gebündelt ist.

„Die Entscheidung von Continental, ein Spin-off des Automotive-Sektors zu prüfen, ist nach vielen Umwegen die letzte Ausfahrt vor der Sackgasse. Es muss jetzt oberste Priorität sein, den Beschäftigten so schnell wie möglich klare Perspektiven und belastbare Ziele aufzuzeigen“, machten Christiane Benner, erste Vorsitzende der IG Metall und stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende bei Continental, Francesco Grioli, Mitglied des geschäftsführenden IGBCE-Hauptvorstands und des Continental-Aufsichtsrats, und Hasan Allak, Konzernbetriebsratsvorsitzender und Aufsichtsratsmitglied der Continental AG, in einer gemeinsamen Erklärung deutlich.

Gefragt seien jetzt funktionierende Geschäftsmodelle und eine solide Kapitalausstattung aller Unternehmensteile. Entscheidend sei, kräftig investieren zu können – in Innovationen und in sichere Arbeitsplätze. „Tarifbindung und eine umfassende Mitbestimmung sind deshalb für uns entscheidende Voraussetzungen für den weiteren Prozess.“