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Gewerkschaft leben, Gesellschaft gestalten

Fokussiert: die Teilnehmenden der Landesbezirksdelegiertenkonferenz.

Foto: Stephen Petrat

Westfalen setzt stark auf Anträge mit sozialpolitischer Prägung.

Foto: Stephen Petrat

Der zweite Konferenztag der Landesbezirksdelegiertenkonferenz Westfalen stand ganz im Zeichen der Antragsberatung. Und diese hatte es in sich: Denn die Delegierten diskutierten nicht nur einzelne Reformbausteine, sondern den Kurs der IGBCE für die kommenden Jahre. Was auffällt: Die westfälischen Anträge sind stark sozialpolitisch geprägt – mit einem klaren Fokus auf gerechte Rahmenbedingungen für Familien, Pflegearbeit und Wohnen.

So forderte der Antrag zur Wohnungspolitik nicht weniger als einen echten Kurswechsel: mehr öffentlich geförderten Wohnungsbau, gezielte Investitionen in preisgedämpften Wohnraum und eine Entlastung der Mittelschicht. Die IGBCE will sich politisch dafür starkmachen, dass Wohnen wieder leistbar wird – auch für die Fachkräfte aus ihren Branchen.

Noch näher an den Lebensrealitäten der Mitglieder bewegen sich die zahlreichen familienpolitischen Anträge. Sie zielen auf eine gerechtere Aufteilung von Care-Arbeit und mehr Unterstützung für Familien im Alltag: etwa durch kostenlose Kinderbetreuung bei Weiterbildungen, einen Ausbau der Elternzeit, Vaterschaftsurlaub oder die Anerkennung pflegender Tätigkeit in der Rente. Ein Antrag formuliert es so: „Wer Kinder erzieht oder Angehörige pflegt, stemmt gesellschaftliche Arbeit. Und das darf kein Karriere- oder Armutsrisiko sein.“

Passgenaue Strategien im Wandel

Dazu passen auch die industriepolitischen Initiativen: Die westfälischen Delegierten fordern unter anderem den Erhalt von Raffineriestandorten und eine sichere Versorgung mit Energie. Beides sind Grundpfeiler für eine erfolgreiche Transformation und den Schutz industrieller Wertschöpfungsketten. Gleichzeitig fordert die IGBCE eine nachhaltige und sozialverträgliche Ausgestaltung der Energiewende. Modern und strategisch zeigen sich die Anträge zur Gestaltung der Transformation. Ein Antrag sieht vor, ein neues Förderprogramm zur beteiligungsorientierten Transformation in den Betrieben zu schaffen. Ziel ist es, Betriebsräte, Management und Belegschaften auf Augenhöhe zusammenzubringen – für passgenaue Strategien im Wandel.

Tarifpolitik weiterentwickeln

Auch die Weiterentwicklung der Tarifpolitik ist ein Thema. Tarifverhandlungen sollen in Zukunft noch stärker auf Lebensrealitäten reagieren: mit Bausteinen für Familienfreundlichkeit, Gleichstellung und Flexibilität. Denn: Gute Arbeit braucht gute Bedingungen – auch jenseits vom Lohn.

Eine letzte Gruppe von Anträgen blickt nach innen: Wie bleibt die IGBCE attraktiv, strukturell stark und werteorientiert? Der Antrag zur modernen Projektarbeit der Frauen zeigt, wie Beteiligung neu gedacht werden kann. Gleichzeitig fordern die Delegierten mit einem weiteren Antrag den Aufbau digitaler Antragsplattformen, um Abläufe zu vereinfachen und Zusammenarbeit zu stärken.

Westfalen zeigt: Gewerkschaftliche Arbeit ist mehr als Tarifpolitik. Sie ist gesellschaftliche Gestaltung aus der Perspektive der Beschäftigten. Und sie beginnt nicht erst in der Hauptstadt – sondern mit den Anträgen vor Ort.

Marl

Stark im Netzwerk Zukunft braucht Dialog

Netzwerken und ein regelmäßiger Austausch werden im Chemiepark Marl großgeschrieben. Dazu trafen sich jetzt die Betriebsrätinnen und Betriebsräte aus neun ansässigen Unternehmen.

Foto: IGBCE

„Zukunft braucht Dialog“ – unter diesem Motto trafen sich im Mai siebzehn Betriebsrätinnen und Betriebsräte aus neun Unternehmen des Chemieparks Marl zu einem intensiven Austausch. Zu dem Treffen eingeladen hatte der IGBCE-Bezirk Recklinghausen. Ziel der Zusammenkunft war es, den Schulterschluss zwischen den betrieblichen Interessenvertretungen weiter zu festigen – in einer Zeit, in der Themen wie Transformation, Eigentümerwechsel und industrielle Neuaufstellungen die Tagesordnung bestimmen.

Erfolgreiches Miteinander

Der Chemiepark Marl steht mit rund zwanzig dort ansässigen Firmen exemplarisch für ein erfolgreiches Miteinander starker Betriebsratsgremien. Regelmäßige Treffen und ein strukturierter Erfahrungsaustausch prägen die Zusammenarbeit der Gremien – über Unternehmensgrenzen hinweg. Auch dieses Mal wurde das Netzwerk gestärkt, wurden Impulse gesetzt und wurde Raum geschaffen für offene Diskussionen zu aktuellen Herausforderungen.

Mitbestimmung ist entscheidend

Ein inhaltlicher Höhepunkt des Treffens war der Beitrag von Detlef Rennings, Betriebsratsvorsitzender der Currenta GmbH. Rennings gab Einblicke in die tiefgreifenden Veränderungen, die sein Unternehmen in den vergangenen Jahren durchlaufen hat: die Ausgliederung aus der Bayer AG, die Positionierung als eigenständiger Chemiedienstleister sowie die Übernahme durch einen australischen Investor. Rennings berichtete eindrucksvoll, wie eng die IGBCE den Prozess begleitet hat – und wie entscheidend betriebliche Mitbestimmung bei strategischen Weichenstellungen bleibt.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nutzten die Gelegenheit, um gezielt nachzuhaken: Welche Spielräume bleiben den Gremien bei Investorenwechseln? Wie können Kompetenzen aus der Mitbestimmung in Konzernstrukturen wirksam eingebracht werden?

Netzwerke sind unverzichtbar

„Der Zusammenhalt der Gremien im Chemiepark zeigt, wie starke Interessenvertretung über Betriebsgrenzen hinweg funktionieren kann“, betonte Klaus Terheyden, stellvertretender Bezirksleiter der IGBCE Recklinghausen. „Solche Netzwerke sind unverzichtbar, um Beschäftigten eine starke Stimme zu geben – gerade in Zeiten des Wandels.“

Beispiel gelebter Solidarität

Das Fazit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer fiel eindeutig aus: Der Chemiepark Marl ist nicht nur ein industrieller Knotenpunkt der Region – er steht auch für gelebte Solidarität, vorausschauende Interessenvertretung und ein starkes Betriebsratsnetzwerk. Weitere Treffen sind geplant – der Austausch geht weiter.