Kommt eine neue Streikwelle?
Fast keine Woche vergeht mehr ohne Streiks, Demos oder Blockaden. Was steckt dahinter und wie weh muss Protest tun, um etwas zu erreichen?

Sie gingen auf die Straße: Die Beschäftigten bei EWP Potsdam.

Funkstille trotz Streiks bei Pika.
Streiks sind ein wichtiges Instrument in Tarifauseinandersetzungen: für bessere Arbeitsbedingungen und Lohnerhöhungen. Aber warum musste im Landesbezirk seit Jahresbeginn schon in sechs Betrieben gestreikt werden?
Boris Loew, stellvertretender Landesbezirksleiter: „Kein Mensch hat Freude an Streiks. Aber die Tarifverhandlungen sind härter geworden. Außerdem legen die Arbeitgeber ein neues Verhaltensmuster an den Tag, das von einer zunehmenden Blockadehaltung, Arroganz und mangelnder Wertschätzung geprägt ist. Sie reden vor allem den Personalmangel klein, indem sie versuchen, uns weiszumachen, dass durch Personalabbau und Schließungen in der Industrie Arbeitskräfte freigesetzt werden, die sie dann übernehmen können. Dabei wird übersehen, dass diese Arbeitskräfte nicht die nötigen Kenntnisse mitbringen und oft branchenfremd sind. Das ist ein Schuss in den Ofen!“
Auch werde immer häufiger mit der Sorge vor einem wirtschaftlichen Abschwung jongliert, obwohl ein Rekordergebnis nach dem anderen erzielt wird. Diese Panikmache sei unnötig, da die IGBCE Nordost mit Streiks verantwortungsvoll umgehe, um unnötige Schäden zu vermeiden.

Streiks bei Saint-Gobain Isover …

… und AVEU Bad Doberan.

Heike Nöske
Foto: privat
Als betriebliche Streikleiterin immer mittendrin im Geschehen ist Heike Nöske, stellvertretende Betriebsratsvorsitzende bei der Energie und Wasser Potsdam GmbH (EWP). Kein leichter Job, der oft gemischte Gefühle mit sich bringt: einerseits die Geschäftsleitung, die immer ein wachsames Auge hat und der man „leider oft erst mal wehtun muss“, damit sie reagiert. Andererseits die Kolleginnen und Kollegen, die ein gemeinsames Ziel verfolgen. Dazwischen eine angeheizte Stimmungslage. „Auch wenn es oft auf beiden Seiten schwierig ist: Wenn ich sehe, wie unsere Leute sich engagieren, dann mache ich es gern“, sagt Nöske. „Das ist für mich der Motor, durchzuhalten.“
Als Beispiel nennt sie den letzten Streik am 16. April, bei dem selbst Beschäftigte, die Nachtschicht hatten oder im Urlaub waren, zum Streik gekommen sind: „Gerade in unserer Branche Energie erarbeiten die gewerblichen Bereiche Wasserwerke, Klärwerke, Heizwerke die Gewinne, aber wir werden am schlechtesten bezahlt“, kritisiert Heike Nöske. Sie findet, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer mehr auseinanderklafft: „Mir ist schon klar, dass auch die Gutverdienenden von unserem Arbeitskampf profitieren, aber es muss etwas getan werden für die unteren Lohngruppen, damit auch sie die gestiegenen Lebenshaltungskosten besser bewältigen können.“

Nach einigen Streiks konnte die IGBCE für die 7.200 Beschäftigten der LEAG und der MCR Engineering Lausitz ein deutliches und dauerhaftes Plus durchsetzen. Das Sahnehäubchen für IGBCE-Mitglieder: dauerhaft wahlweise zwei freie Tage oder 500 Euro pro Jahr.
Boris Loew ist der Ansicht: „Wir alle müssen dem Erwartungsdruck von Mitgliedern und Beschäftigten standhalten und dürfen dabei die Kolleginnen und Kollegen nicht aus dem Blick verlieren, die Bedenken vor einem Streik haben. Wir müssen in Phasen, in denen die Wahrscheinlichkeit eines Arbeitskampfes steigt, besonders sorgfältig kommunizieren, ohne den Arbeitgeber schon im Vorfeld über einen Streik zu informieren. Der sollte im Idealfall ja überrascht werden. Der positive Nebeneffekt ist, dass die Kolleginnen und Kollegen enger zusammenwachsen und die Solidarität steigt!“
Die aktuelle Streikliste (Stand: Mitte Mai 2025):
- Städtische Werke Magdeburg (AVEU)
- Energie und Wasser Potsdam GmbH (AVEU; brachte einen super Tarifabschluss)
- Netzgesellschaft Potsdam GmbH (AVEU)
- EWN Entsorgungswerk für Nuklearanlagen GmbH (AVEU)
- Saint-Gobain Isover
- Gefinex
- Pika (erstmalig auf die Tarifkommission zugegangen)
- LEAG (brachte einen super Tarifabschluss)