Video: Auf Entdeckungsreise im Elektrizitätsmuseum Recklinghausen.
Alles unter Strom
Im Umspannwerk ganz im Süden von Recklinghausen wird der ankommende Strom auf die richtige Spannung gebracht. Angegliedert ist ein Museum, das seinen Gästen von der kulturellen Bedeutung der Elektrizität erzählt. Dabei wird klar: Elektrischer Strom hat eine lange Geschichte hinter sich – und eine faszinierende Zukunft vor sich.
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VEW erinnert an den Energieversorger, der 2000 mit der RWE fusionierte.
Dass an diesem Ort Elektrizität eine große Rolle spielt, hört und riecht man nicht. Aber man sieht es. Neben dem markanten Bauwerk aus dem Jahr 1928 steht ein großer Strommast, der viele Leitungen trägt. Diese führen in das Innere des Gebäudes, in dem seit fast hundert Jahren ein Umspannwerk dafür sorgt, dass ein Drittel aller Haushalte der 120.000-Einwohner-Stadt Recklinghausen den Strom mit der richtigen Spannung geliefert bekommt.
Ein eigenes Gebäude erhielt das Umspannwerk aufgrund der äußeren Bedingungen an diesem Standort. Es liegt direkt am Stadthafen, gleich nebenan fließt die Emscher und fahren die Schiffe auf dem Rhein-Herne-Kanal. Es ist hier daher häufig nebelig. Hinzu kam früher der Ruß aus den Bergwerken des nördlichen Ruhrgebiets. Um Kurzschlüsse zu vermeiden, errichteten die Vereinigten Elektrizitätswerke Westfalen (VEW) für die Anlage dieses Gebäude. Heute ist das denkmalgeschützte Umspannwerk Teil der Route Industriekultur, eines rund 400 Kilometer langen Rundparcours durch die Metropole Ruhr.
Schon in den Achtzigern entwickelten Erfinder erste Elektroautos.
Besucherinnen und Besucher können die Plasmakugeln zum Blitzen bringen.
Platz gewonnen, Museum errichtet
Nun ist das Umspannwerk nicht nur wichtig für die Energieversorgung von Recklinghausen. Es bietet der Stadt und seinen Besucherinnen und Besuchern seit 25 Jahren auch Futter fürs Gehirn. Als die VEW die Anlage Anfang der 1990er-Jahre modernisierten, benötigten die neuen Transformatoren und Schalteranlagen weniger Platz. Was man mit der dadurch gewonnenen Fläche anstellen könnte? Bald kam die Idee auf, an diesem Ort ein Museum für Elektrizität zu errichten. Die Eröffnung erfolgte 2000 – dem Jahr, in dem die VEW mit der RWE fusionierten.
Mittlerweile hat das Museum selbst eine elektrisierende Geschichte zu bieten. Was als Ausstellung eines Unternehmens begann, ist seit 2016 ein unabhängiges Haus, getragen von einer gemeinnützigen GmbH. Auf einer Ausstellungsfläche von rund 1.800 Quadratmetern erzählt das Museum die Geschichte der Elektrizität. Jedoch nicht streng chronologisch oder anhand physikalischer Formeln. Sondern mithilfe von Objekten, zu denen die Gäste eine persönliche Verbindung aufbauen können. „Die allermeisten, die zu uns kommen, wissen über Strom zwei Dinge: Er ist da – und kommt aus der Steckdose“, sagt Museumsleiter Hanswalter Dobbelmann. „Wenn wir diesen Gästen direkt am Eingang das ohmsche Gesetz vor die Füße legen, würden sie sofort wieder umdrehen.“
Geschichten aus dem Alltag
Der Ansatz der Ausstellung ist daher kulturgeschichtlich. „Wir erzählen, wie die Nutzung der Elektrizität den Alltag der Menschen verändert hat – und weiter verändern wird.“ Dobbelmann ist überzeugt: „Es gibt keine technische Innovation, die sich vergleichbar revolutionär auf das Leben der Menschen auswirkt wie die Elektrizität.“ Und zwar eben nicht nur früher. Sondern bis heute. Und mehr noch in der Zukunft. Auch davon erzählt die Ausstellung. Und lockt damit jährlich rund 30.000 Besucherinnen und Besucher an.
Das Museum hat sich den Namen „Zeitreise Strom“ gegeben. Diese beginnt an einer Dampfmaschine, einige Tonnen schwer, ausgestattet mit zwei großen Schwungrädern. Was heute wie ein Ungetüm aus Stahl wirkt, war Ende des 19. Jahrhunderts eine Maschine, die unglaublich viel in Gang brachte: die Elektrisierung der Welt. Die Industrialisierung. Das Zeitalter der Moderne. Dobbelmann erklärt das Prinzip: „Man stopfte Steinkohle hinein, bei der Verbrennung entstand Dampf, der die Schwungräder in Bewegung brachte. Über Riemen wurde diese Energie auf einen Generator übertragen, der sie in Strom umwandelte und damit zum Beispiel eine Glühbirne zum Leuchten brachte.“ Das war für die Menschen damals eine Sensation. Aus heutiger Sicht hatte diese Anlage vor allem eines: eine miserable Energiebilanz. „Sowohl in der Dampfmaschine als auch in der Glühbirne entstand zu neunzig Prozent Wärmeenergie, die einfach verpuffte.“ Und doch: Die Dampfmaschine, die eine Glühbirne zum Leuchten brachte, war einer der ersten Schritte der elektrischen Revolution.
Keine Innovation ist vergleichbar revolutionär wie die Elektrizität.
Hanswalter Dobbelmann,
Museumsleiter
Ohne Straßenbahn kein Revier
Viele weitere folgten, das Museum erklärt sie ohne viele Worte, die Objekte sprechen für sich. Ein Blickfang ist der historische Straßenbahnwaggon, gebaut 1916 in Köln, kurz danach im Einsatz im schwäbischen Reutlingen. „Die elektrische Straßenbahn machte die Menschen in den Städten mobil“, sagt der Museumsleiter. Familienmitglieder konnten sich gegenseitig besuchen oder Ausflüge unternehmen, die Arbeiterinnen und Arbeiter fuhren mit der Straßenbahn in die Fabriken, die Fußballfans ins Stadion. „So wuchs das Ruhrgebiet zusammen“, sagt Dobbelmann. „Aus vielen Siedlungen wurde dank der Elektrifizierung das Revier.“
Dass auch die Zukunft eine Vergangenheit hat, zeigen vier ausgestellte Elektroautos aus einer Zeit, als noch niemand daran dachte, dass der Verbrennermotor einmal vor dem Aus stehen würde. Zu sehen ist zum Beispiel ein E-Golf aus den 1980er-Jahren. Für den Durchbruch fehlte es an brauchbaren Akkus. Diese gibt es nun. „Das Zeitalter der Elektromobilität beginnt jetzt erst“, sagt der Museumsleiter.
Ende des 18. Jahrhunderts gelang es den Menschen erstmals, Elektrizität nutzbar zu machen. Seitdem wächst der Hunger der Weltgemeinschaft nach Strom immer schneller. Ein Ende ist nicht abzusehen, im Gegenteil: Ein der Zukunft gewidmeter Raum des Museums zeigt, dass durch die E-Mobilität und die Digitalisierung der Bedarf an Strom rasant wachsen wird. Weltweit. Und auch in der Bundesrepublik. Die deutsche Energiewirtschaft ist eine Branche der IGBCE. 200.000 Beschäftigte arbeiten daran, die Unternehmen und die Haushalte mit Strom zu versorgen.
Die vielseitige Ausstellung ist zwar als Rundgang angelegt, lässt beim Besuch aber viel Freiraum. Überall gibt es etwas zu entdecken: Vertrautes wie bunte Elektrogeräte aus den Küchen der 1970er-Jahre, aber auch Überraschendes wie die Karikatur aus einer britischen Satirezeitschrift aus dem Jahr 1881. Zu sehen sind die beiden mächtigen Energieherrscher König Kohle und König Dampf, wie ihnen die Panik ins Gesicht geschrieben steht, weil unter ihnen in einer Wiege das kleine Baby Elektrizität heranwächst. „Dem Karikaturisten war klar: Hier steht eine Wachablösung an.“
Bevor die Straßenbahn ins Museum kam, fuhr sie in Reutlingen.
Museumsleiter Dobbelmann mag die historischen Holzsitze.
Grübeln erwünscht
Ziel des Museums ist, dass die Gäste während ihres Besuches ins Nachdenken kommen. Raum für Diskussionen bietet zum Beispiel eine Litfaßsäule mit Werbeplakaten aus den 1950er-Jahren. Angepriesen werden elektrische Haushaltsgeräte für die „moderne Frau“, von einer Waschmaschine über einen Elektroherd bis zu einem Mixer. Aus heutiger Sicht sind das sexistische und klischeehafte Darstellungen. Gelegenheit zum Philosophieren gibt ein der Robotik gewidmeter Bereich. Roboter werden in Zukunft immer mehr menschliche Aufgaben übernehmen: als Pflegekräfte, Chirurgen, Autofahrer – und vielleicht sogar als Museumsleiter. Wobei das in diesem Fall sehr schade wäre, denn das Wissen und die Leidenschaft der Mitarbeitenden des Museums im Umspannwerk möchte man nicht missen.
Guide: Umspannwerk Recklinghausen
Umspannwerk Recklinghausen
Weitere Information unter der Karte.
Sternwarte und Planetarium
Weitere Information unter der Karte.
Hotelempfehlung
Plaza Inn Recklinghausen
DZ ab 150 Euro (mit Frühstück)
Hellbachstraße 107
45661 Recklinghausen
www.plazahotels.de
Hotelempfehlung
Parkhotel Engelsburg
DZ ab 178 Euro (mit Frühstück)
Augustinessenstraße 10
45657 Recklinghausen
www.parkhotel-engelsburg.de
Gastronomie
Goldstück
Gemütliche Bar mit Karte zwischen Pasta,
Curry und Garnelenpfanne
www.goldstück-recklinghausen.de
Gastronomie
La Dolce Vita
Italienische Küche in der Altstadt
www.la-dolce-vita-re.de
Gastronomie
Birgit’s Burger Bude
Kult-Imbiss nahe dem Umspannwerk
birgits-burger-bude-recklinghausen
www.eatbu.com
Umspannwerk Recklinghausen
Uferstraße 2–4, 45663 Recklinghausen
Öffnungszeiten:
Montag–Samstag: 10–17 Uhr, Sonntag: 10–18 Uhr
Eintritt: 8 Euro (ermäßigt 6 Euro)
Infos über Gruppentarife und Führungen unter
www.zeitreisestrom.de
Sternwarte und Planetarium
Die Sternwarte im markanten achteckigen Turm und das Planetarium direkt nebenan bieten öffentliche Sternenerkundungen und lebendige Vorträge unter künstlichem Sternenhimmel.
www.sternwarte-recklinghausen.de
Altstadt
Mehr als 1.000 Jahre alt – und immer noch attraktiv: Die Altstadt von Recklinghausen gilt nicht umsonst als die „gute Stube“ des Ruhrgebiets und kombiniert Shoppingerlebnis mit Stadtgeschichte.
www.recklinghausen-tourismus.de