Praxis & Wissen

Arbeitgebercheck

Foto: picture alliance | Winfried Rothermel

Am Scheideweg

Text Jens Heitmann

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Duravit will bewusst kein Billigheimer sein. Das Familienunternehmen aus dem Schwarzwald sieht sich als führende Marke für Design-Bäder und ruft entsprechende Preise auf. Doch der Markt ist umkämpft – und Qualitätsprobleme führen zu Einbußen im Geschäft. Hinzu kommen hohe Energiekosten. Sind die deutschen Standorte gefährdet?

Duravit

Den Namen und die Produktpalette hat das Unternehmen geändert – ihrer Heimat Hornberg ist die Duravit AG treu geblieben: Die vor rund 200 Jahren von Georg Friedrich Horn gegründete Steingut-Fabrik hat sich später auf Sanitärprodukte spezialisiert und in der Folge die Marke Duravit zum Firmennamen gemacht. Heute agiert der Mittelständler mit elf Werken international (unter anderem in China und Indien) und zählt weltweit 7.000 Beschäftigte, knapp 1.300 davon in Deutschland. Die Aktiengesellschaft hat nur zwei Eigentümer: Die Familie Greinert, die auch am Kunststoffspezialisten Röchling beteiligt ist, hält drei Viertel der Anteile minus eine Aktie; dem Schweizer Unternehmer Michael Pieper gehören 25 Prozent plus eine Aktie.

Gründung 1817

Rechtsform Aktiengesellschaft (mitbestimmt)

Sitz Hornberg im Schwarzwald

Eigentümer in Familienbesitz (Familie Greinert)

Umsatz 631 Millionen Euro (2024)

Überschuss 12,6 Millionen Euro (2024)

Beschäftigte 7.000 weltweit, davon rund 1.300 in Deutschland

Produkte Sanitärkeramik (WCs, Waschtische, Badewannen und Duschtassen), Armaturen, Badezimmermöbel, Zubehör und Accessoires, Anschlusssysteme

Arbeitsumgebung

Duravit ist im Schwarzwald zu Hause. Die Zentrale liegt in Hornberg, von dort sind es mit dem Auto etwa fünfzig Kilometer nach Freiburg. In der Kleinstadt mit rund 4.000 Einwohnerinnen und Einwohnern steht die Unternehmenszentrale. In der Verwaltung und im dortigen Keramikwerk sind zusammen knapp 670 Menschen beschäftigt. Badmöbel produziert Duravit mit knapp 120 Beschäftigten im benachbarten Schenkenzell. Im Logistikzentrum an der A 5 in Achern sind knapp 75 Mitarbeitende tätig. Die Sanitärporzellanfabrik im sächsischen Meißen ist inzwischen ein reiner WC-Hersteller und zählt knapp 250 Beschäftigte.
Um die Belegschaft an sich zu binden, bietet Duravit zusätzliche Sozialleistungen wie einen Zuschuss zur betrieblichen Altersvorsorge und zur Krankentagegeldversicherung. Zudem gibt es kostenlose Heißgetränke sowie frisches Obst. Aktuell sucht das Unternehmen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Außendienst, Elektroniker*innen und Mechatroniker*innen in der Instandhaltung und IT-Spezialist*innen. Früher konnte Duravit freie Stellen häufig mit Bewerber*innen aus der Umgebung besetzen inzwischen gelingt das nicht mehr so leicht. Das liegt nicht nur am allgemeinen Mangel an Fachkräften, auch der Ruf des Unternehmens hat zuletzt spürbar gelitten. An den deutschen Standorten kommt es immer wieder zu Kurzarbeit, derzeit werden mehr Stellen abgebaut als geschaffen.

Betriebsklima

Die Grundstimmung bei Duravit beschreiben Beschäftigte als angespannt. Weil die Geschäfte nicht mehr rundlaufen, reiht sich ein Sparprogramm an das nächste. Mehr als jede zehnte Stelle an den deutschen Standorten wurde bereits gestrichen, für viele Beschäftigte hat sich die Jobbeschreibung geändert – nicht selten auch mehrmals. Der Stressfaktor ist deutlich gestiegen, seit die Arbeit auf weniger Köpfe verteilt wird. Der Umgang mit Überstunden unterscheidet sich von Abteilung zu Abteilung: Insbesondere der Vertrieb klagt über eine hohe Belastung. Um beim Stellenabbau voranzukommen, agiert das Management nicht zimperlich: Selbst kurzzeitig anberaumte Termine in der Personalabteilung können mit Aufhebungsverträgen enden. Kurzarbeit gehört zum Unternehmensalltag: In Hornberg ruht die Produktion wochenweise, in Schenkenzell an einem Tag pro Woche, in Meißen an vier Tagen im Monat.
Bei einer Umfrage in der Belegschaft haben kürzlich vier Fünftel der Beteiligten angegeben, dass Duravit kein attraktiver Arbeitgeber sei. Vom Vorstand fühlt sich ein Großteil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schlecht informiert, bessere Noten gibt es für das Verhältnis zu den direkten Vorgesetzten. Frauen sind in der Führungsebene deutlich unterrepräsentiert die drei Vorstandsmitglieder sind Männer, im sechsköpfigen Aufsichtsrat sitzt eine Frau.

Mitbestimmung

Mit der innerbetrieblichen Demokratie steht es bei Duravit nicht zum Besten. Schon seit Längerem regiert zwischen Management und den Betriebsräten das Misstrauen. Die (ungeschriebene) Standortgarantie für die deutschen Standorte wurde im Januar 2024 vom Vorstand gegenüber den Betriebsräten offiziell widerrufen – eine Vereinbarung zur Beschäftigungssicherung gibt es leider nicht.
Die Hoffnungen ruhen auf der Eigentümerfamilie Greinert – das Vertrauen in den Vorstand hat massiv gelitten. Das liegt auch an Verstößen gegen Mitbestimmungspflichten: Selbst bei strategischen Entscheidungen werden Betriebsräte zum Teil vor vollendete Tatsachen gestellt oder erst spät einbezogen. Gleiches gilt bei der Einstellung von Führungskräften. Grundsätzlich beklagen die Arbeitnehmervertreterinnen und -vertreter einen Mangel an Wertschätzung; die Suche nach Kompromissen ­leidet darunter.
Aber die Belegschaft macht sich das Leben auch selbst schwer: Am Standort Hornberg wird der Betriebsrat inzwischen von einem Nichtgewerkschafter geführt, Vertreter der IGBCE und die Gruppe der Unabhängigen in dem Gremium ziehen nicht immer an einem Strang.

Tarifbindung

Für Duravit gilt der neue Bundes-Entgeltrahmentarifvertrag für die feinkeramische Industrie. Die lange üblichen unterschiedlichen Vergütungen in Ost- und Westdeutschland gehören damit zumindest im Prinzip der Vergangenheit an, wie auch die Differenzierung zwischen Angestellten und gewerblichen Beschäftigten. Stattdessen gibt es seit Beginn dieses Jahres für alle Beschäftigten eine bundesweit einheitliche Entgelttabelle.
Für die meisten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Branche bringt der neue Entgeltrahmentarifvertrag monatlich mehr Geld ins Portemonnaie bei Duravit jedoch ist das nicht so selbstverständlich. Bei der Frage, nach welchen Kriterien die einzelnen Beschäftigten in die neuen zwölf Entgeltgruppen eingruppiert werden, sind Vorstand, Personalabteilung und die Arbeitnehmervertretung oft unterschiedlicher Auffassung. Während die Betriebsrätinnen und Betriebsräte darauf dringen, dass ihre Kolleginnen und Kollegen bei der Eingruppierung in keinem Fall Geld verlieren, sucht das Management nach Möglichkeiten, Kosten zu senken. Am Standort Meißen haben sich die Hoffnungen nicht erfüllt, dass die Einführung des neuen Entgeltrahmentarifvertrages auch eine Angleichung an das Gehaltsniveau im Westen mit sich bringen würde. Die Verhandlungen bei Duravit ziehen sich hin – zuletzt sollen die Argumente der Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter auf mehr Gehör gestoßen sein.

Zukunftsfähigkeit

Vom Run auf die Baumärkte während der Corona-Krise konnte Duravit weniger profitieren als die Konkurrenz. Neben zu optimistischen Vertriebsannahmen des Vorstandes haben zuletzt auch Qualitätsprobleme dazu beigetragen, das dass Unternehmen zwischenzeitlich sogar in die roten Zahlen gerutscht ist. Insbesondere die Keramikware aus dem ägyptischen Werk weist so starke Mängel auf, dass Kundenbeschwerden zunehmen und Lieferprobleme wachsen. Um die Kosten zu senken, hat Duravit bereits drei Werke im Ausland geschlossen um die Zukunft der deutschen Standorte macht sich die Belegschaft inzwischen Sorgen. In Hornberg und Meißen gefährden vor allem die deutlich gestiegenen Gaspreise die Keramikproduktion.
In Kanada treibt das Unternehmen den Bau eines neuen Werkes voran, in dem erstmals ein elektrischer Brennofen zum Einsatz kommt, der mit günstigem und grünem Strom aus Wasserkraft betrieben wird. Das soll im Vergleich zu einem herkömmlichen Gasofen nicht nur 8.500 Tonnen CO2 pro Jahr einsparen, sondern auch die Produktionskosten erheblich senken. In Deutschland gibt es eine solche Alternative perspektivisch nicht Strom wird auf längere Sicht teuer bleiben, und auch eine Umstellung von Erdgas auf Wasserstoff ist nicht absehbar; die Standorte Hornberg und Meißen liegen ohnehin abseits der absehbaren Routen für ein mögliches Wasserstoffnetz.

Das sagt Duravit

Trotz herausfordernder Rahmenbedingungen bekenne man sich klar zu den deutschen Standorten und investiere in Effizienz und Nachhaltigkeit. Das neue Werk in Kanada bedeute keine Verlagerung von Arbeitsplätzen, sondern vielmehr eine Stärkung der globalen Wettbewerbs­fähigkeit.

Unser Fazit

Duravit steht an einem Scheideweg. Kurzfristig muss das Unternehmen die Probleme mit der Qualität in den Griff bekommen. Das hat das Management in der eigenen Hand, Gleiches gilt für eine Verbesserung der Stimmung innerhalb der Belegschaft. Um die Produktion in Deutschland zu halten, ist Duravit hingegen – wie die Branche insgesamt auf die Unterstützung aus der Politik angewiesen. Sollten sich die Rahmenbedingungen für die Energieversorgung hierzulande nicht ändern und die Gas- und Strompreise weiterhin deutlich über dem Niveau alternativer Standorte im Ausland liegen, dürfte es insbesondere für die Fertigung im Schwarzwald und in Sachsen düster aussehen.

Quellenhinweis: Dieser Arbeitgebercheck basiert auf Recherchen bei Beschäftigten, Betriebsräten, Vertrauensleuten sowie Betriebsbetreuerinnen und -betreuern der IGBCE. Die zusammen­getragenen Informationen sind aus Gründen des Quellenschutzes bewusst anonymisiert. Jede Angabe kann jedoch konkret bestimmten Quellen zugeordnet werden. Zudem wurden öffentlich zugängliche Quellen einschließlich der Angaben des Unternehmens selbst genutzt.