Vor Ort

Nord

Mit Auftrag zum Kongress

Text Michaela Ludwig

Diskutieren und entscheiden: Auf dem Gewerkschaftskongress stecken 400 Delegierte den zukünftigen Kurs ihrer IGBCE ab. Mit dabei: engagierte Kolleginnen und Kollegen aus dem Norden.

Rund 450 Anträge auf 900 Seiten mit den dringlichsten Themen und Anliegen der Mitglieder, der Vertrauensleute, der Frauengremien und der Jugend: Ab dem 19. Oktober stehen sechs Tage lang Debatten und Abstimmungen auf dem Programm des IGBCE-Gewerkschaftskongresses in Hannover. 400 Delegierte aus dem ganzen Land entscheiden dann, welchen Weg die IGBCE in den kommenden vier Jahren einschlagen wird.

Für den reibungslosen Ablauf hat Volker Neumann aus Wilhelmshaven viel Zeit investiert. Als Mitglied der Antragskommission hat er in jeder freien Minute Anträge gelesen. „Eingereicht wurden 800 Anliegen. Die IGBCE hat uns unterstützt, indem sie diese vorsortiert, zusammengefügt und rechtlich geprüft hat“, berichtet der Betriebsratsvorsitzende beim PVC-Hersteller Vynova, der von der Landesbezirksdelegiertenkonferenz in die Kommission gewählt worden war. Im Juli traf man sich mit IGBCE-Vorständen in der Hauptverwaltung in Hannover, um Antrag für Antrag durchzusprechen. „Unsere Aufgabe ist es, eine Empfehlung abzugeben, wie mit dem Antrag weitergearbeitet werden soll und wer für die ­Umsetzung zuständig ist“, erläutert Neumann. „Beim Kongress wird abgestimmt, ob unserer Empfehlung gefolgt wird.“ Einiges war heiß diskutiert, verrät er. „Wir vertreten unterschiedliche politische Positionen. Das ist richtig und wichtig, damit sich die Gewerkschaft möglichst breit gefächert aufstellen kann.“

Möglichst breit gefächert aufstellen.

Volker Neumann

Volker Neumann

Foto: IGBCE

Tanja Penkwitt

Foto: privat

Deniz Filiz Acar

Foto: privat

Tanja Penkwitt aus Langelsheim reist zum ersten Mal zum Gewerkschaftskongress – als Delegierte der Vertrauensleute beim Chemieunternehmen Albemarle. Das Gremium hat eigene Anträge zur Mitgliedergewinnung und -bindung formuliert, die sie in Hannover verteidigen wird. „Wir beantragen, dass Einmalzahlungen auch an Teilzeitkräfte in voller Höhe ausgezahlt werden sollen“, berichtet sie. Die Vertrauensleute finden eine anteilige Auszahlung ungerecht, „schließlich arbeiten auch sie in ihrer Arbeitszeit 100 Prozent“. Der von der IGBCE erstmals ausgehandelte Gewerkschaftstag sei bereits ein gewichtiges Argument, in die Gewerkschaft einzutreten. „Nun gilt es, die neuen Kolleginnen und Kollegen auch zu halten.“

Die Hamburgerin Deniz Filiz Acar war schon als Jugendvertreterin und für die Aurubis-Vertrauensleute bei den vorherigen Kongressen. Dieses Mal hat die Betriebsratsvorsitzende des Kupferproduzenten kein Mandat – sondern stellt sich als Mitglied für den ehrenamtlichen Hauptvorstand zur Wahl. Zu diesem Schritt motiviert habe sie ihre Begeisterung für das „demokratische System, das Gewerkschaft vorlebt“. Wichtig sei jedoch, dass die IGBCE die Sprache der Beschäftigten spricht und politische Themen auf deren Alltag herunterbricht. „Für den demokratischen Prozess ist es – auch und gerade angesichts der zunehmenden politischen Auseinandersetzungen – wichtig, sich auf Augenhöhe auszutauschen. Nur so können wir die Belegschaften auf unserem Weg mitnehmen“, ist sie überzeugt.


Foto: IGBCE

3 Fragen an …

Ralf Becker

Der Landesbezirksleiter der IGBCE Nord über seine Erwartungen an den Gewerkschaftskongress.

Welche richtungsweisenden Entscheidungen erwartest du?

Unser Land schlittert in eine Phase der Deindustrialisierung. Wir werden mit all unseren Möglichkeiten unsere Industrien als Pfeiler unserer Gesellschaft stärken. Ich erwarte hier ein deutliches Signal an alle Verantwortlichen. Wenn wir tatsächlich klimaschädliche Emissionen reduzieren wollen, brauchen wir unsere effiziente und saubere Grundstoffindustrie! Es geht hier um nicht weniger als den Erhalt eines der Grundpfeiler der Finanzierung unserer Gesellschaft. Das wird ein Schwerpunkt der Debatten und Entscheidungen unseres Gewerkschaftskongresses.

Und was erwartest du für die IGBCE selbst?

So wie unsere Industrie stehen auch wir als IGBCE vor entscheidenden Herausforderungen. Wir müssen uns neu erfinden – und dafür sind die Voraussetzungen zu gestalten. Deshalb gilt es, unsere Handlungsfähigkeit sicherzustellen. Die Neuregelung der Finanzierung unserer Ortsgruppen ist dabei ein wichtiger Beitrag.

Wie schätzt du die zu wählende personelle Aufstellung der IGBCE ein und wie kann der Landesverband die Themen aus dem Norden künftig einbringen?

Zur Wahl auf dem Kongress stehen Teams. Sowohl die Kandidatinnen und Kandidaten des geschäftsführenden als auch des ehrenamtlichen Hauptvorstands und des Beirats sind Vorschläge für eine handlungsfähige und starke IGBCE. Das geht nur im Team! Ich bin davon überzeugt, dass die Vertreterinnen und Vertreter aus dem Norden dafür sorgen werden, dass unsere Themen Gehör finden. Sie bringen Wissen, Erfahrung, Empathie und Gestaltungswillen mit ein. Das sind die Eigenschaften, die wir in den nächsten Jahren brauchen!