Starker Rücken
Drei Viertel aller Berufstätigen in Deutschland leiden unter Rückenproblemen. Schuld sind oft mangelnde Bewegung und eine untrainierte Muskulatur. Daher heißt es ab sofort: Runter vom Sofa und aktiv werden.
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Foto: Sebastian Bahr
Das Kreuz der Deutschen tut weh: Rückenschmerzen gehören in Deutschland mittlerweile zu den Volkskrankheiten. Nach einer Forsa-Umfrage gaben 81 Prozent der Befragten an, in letzter Zeit mindestens einmal Rückenschmerzen gehabt zu haben. Die Leiden sind groß, die Diagnose häufig schlecht: Mehr als 140.000-mal im Jahr operieren Chirurginnen und Chirurgen an den Bandscheiben. Größtenteils zu Unrecht, meint Ingo Froböse, Professor für Prävention und Rehabilitation an der Sporthochschule Köln. „Die Bandscheiben sind in neunzig Prozent der Fälle nicht die Schmerzübeltäter.“
Schuld an dieser falschen Einschätzung sei oftmals eine falsche Interpretation des Röntgenbildes, das bei Beschwerden von der Wirbelsäule gemacht wird. „Dort sieht man nach dem dreißigsten Lebensjahr oft leichte Risse oder Ausfransungen in den Bandscheiben. Allerdings handelt es sich hierbei um ganz normale Alterungserscheinungen, die nicht zwingend zu Schmerzen führen“, erklärt Froböse, der die Hauptursachen für Rückenschmerzen in der fehlenden Muskelkraft sieht. „Viele Frauen, die über fünfzig Jahre alt sind, haben zu wenig Muskelmasse, bei sechzigjährigen Männern trifft das zu siebzig Prozent zu.“
Die „sitzende Gesellschaft“ verschärfe das Problem: „Langes Sitzen setzt dem Rücken zu. Dabei reduziert das Homeoffice die alltägliche Bewegung oft noch zusätzlich: Wer früher mit dem Fahrrad zur Arbeit gefahren oder wenigstens zu Fuß zur Bahn gegangen ist, setzt sich heute zu Hause direkt an den Computer.“
Mit folgenschweren Konsequenzen: „Ohne Ausgleich können Faszien verkleben, Muskeln, Sehnen und Bänder verkürzen – das wird vor allem im Rücken früher oder später spürbar“, warnt der Sportwissenschaftler, der dringend zu regelmäßigen Übungen rät: „Die einzige Möglichkeit, die Wirbelsäule stabil und den Rücken beweglich sowie leistungsfähig zu erhalten, ist eine kräftige Muskulatur.“
Auch der Hexenschuss werde oft irrtümlich mit den Bandscheiben in Verbindung gebracht, so Froböse. „Bei einer ungünstigen Bewegung, wenn man sich beispielsweise nach unten bückt, ist plötzlich ein stechender Schmerz da. Der Volksmund sagt: ‚Die Hexe hat geschossen!‘ Das kann verschiedene Ursachen haben: eine stark verspannte oder überforderte Muskulatur, winzige Verschiebungen der Wirbelkörper, Zugluft, Kälte, aber auch Stress.“
Ein Hexenschuss sei im Prinzip harmlos, beruhigt der Fachmann. „Am Anfang sollte man versuchen, die völlig verhärtete und unbewegliche Rückenmuskulatur wieder zu entspannen. Dabei können Schmerzmittel helfen, aber auch eine Wärmflasche. Und nach der akuten Phase nützen sanfte Bewegungen wie beispielsweise spazieren gehen.“ Manche Ärztinnen und Ärzte würden Schonung und Ruhe verordnen – das aber sei fatal. Denn durch die Inaktivität verliere der Rücken an Muskelmasse und dadurch weiter an Stabilität.
Es ist wichtig, auf die Warnsignale des Körpers zu hören und darauf zu reagieren.
Ingo Froböse,
Professor für Prävention und Rehabilitation
Vorbeugen und auf Warnsignale hören
Froböse räumt ein, dass sich in neunzig Prozent der Fälle keine eindeutige Ursache finden lasse. „Wichtig ist deshalb, auf die Warnsignale des Körpers zu hören und darauf zu reagieren – bei Schmerzen, aber vor allem zur Vorbeugung.“ Der Sportwissenschaftler rät deshalb generell zu einem kleinen Bewegungsprogramm von zehn bis 15 Minuten täglich. „Das reicht aus, um den Rücken zu kräftigen und gleichzeitig die Abwehrkräfte zu stärken.“
In seinen Büchern zeigt Froböse alltagstaugliche und effektive Übungen für einen gesunden und dauerhaft schmerzfreien Rücken. Dabei empfiehlt er besonders den Hacker, weil sich diese Übung sehr gut in den Alltag integrieren lässt und speziell die tiefen Rückenmuskeln trainiert, die direkt an der Wirbelsäule ansetzen. Grundsätzlich müsse laut Froböse wieder mehr Bewegung in den Alltag zurückgeholt werden. Dabei würden selbst kleine Dinge schon helfen, etwa den Aufzug links liegen zu lassen oder eine Bahnstation früher auszusteigen, um den Rest zu Fuß zu gehen. Auch auf der Arbeit bieten sich viele Möglichkeiten, um dem Bürostuhl zu entfliehen: beispielsweise Telefonate im Stehen zu führen oder ein Spaziergang in der Mittagspause.
So machst du den Hacker

So machst du den Hacker
Du stehst ganz gerade da, die Beine sind hüftbreit geöffnet, die Arme eng am Oberkörper angelegt und die Unterarme im rechten Winkel angewinkelt. Die Hände sind offen, die Daumen zeigen nach oben. Los geht es: Mit ganz kleinen, schnellen Bewegungen hacken deine Unterarme wechselseitig rauf und runter, als wenn du Zwiebeln schneiden würdest – 30 bis 60 Sekunden lang. Auf und ab, je schneller, desto besser. Wenn du es anstrengender magst, wiederholst du die Übung mit ausgestreckten Armen.